Polens Linksallianz: Hauptsache einig

Die Rückkehr der verlorenen Väter

  • Julian Bartosz, Wroclaw
  • Lesedauer: 2 Min.
Die vorweihnachtliche Landeskonferenz des Bündnisses der Demokratischen Linken (SLD) am vergangenen Wochenende gestaltete sich zu einer Sammlungsdemonstration, ja fast zu einem »Fest der Liebe«.

Von einer seit Monaten angekündigten Neugestaltung des Programms der parlamentarischen Linken Polens wollten die Delegierten der Landeskonferenz überhaupt nichts mehr wissen. Stattdessen wurde der 57-jährige gebürtige Wroclawer Jerzy Szmajdzinski zum SLD-Kandidaten für die in zehn Monaten fällige Wahl des Staatspräsidenten gekürt. Der Wagen wurde also vor den Gaul gespannt. Auf die Frage, wohin Szmajdzinski – einst Vorsitzender des Sozialistischen Jugendverbandes ZSMP (1984-89), später Verteidigungsminister (2001-05), heute Vizemarschall des Sejms und seit einem Jahr stellvertretender Parteivorsitzender – den Wagen denn ziehen solle, antwortete Parteichef Grzegorz Napieralski kurz und bündig: Wir müssen einig sein.

Polens Sozialdemokraten sind es also. Und wie! Eingeladen war auch der ehemalige Partei- und Regierungschef Leszek Miller, der das Linksbündnis mit seinem autoritären Gebaren und einer neoliberalen Politik nach vier Regierungsjahren (2001-05) in die Katastrophe gestürzt und die Partei verlassen hatte, um seine eigene »Lewica.Pl« zu gründen. Als Kandidat der »Samoobrona« Andrzej Leppers hatte er sich vergeblich um einen Sitz im Parlament bemüht. Nun, nachdem er den Willen zum neuerlichen Beitritt zum SLD geäußert hatte, wurde er mit Beifall belohnt. Jozef Oleksy, ebenfalls ehemaliger Premier, der das SLD unter dem Vorsitz Wojciech Olejniczaks (2005-08) wie Miller öffentlich kritisiert und es sogar lächerlich gemacht hatte, war ebenfalls Gast der Landeskonferenz und sagte, er überlege noch, ob er der Partei dienen oder als Geschäftsmann tätig sein wolle. Über den Expremiers thronte in vorderster Reihe Altpräsident Aleksander Kwasniewski, der Martin Luther King nachahmte und in einer lustigen Rede von seinen Träumen erzählte, in denen die »geeinigte Linke« Polens wieder siegt. Auf Worte des »charismatischen Gurus« war im Saal vereinzelt »Yes, we can« zu hören.

Parteichef Grzegorz Napieralski, von dessen Abwahl vorher gemunkelt worden war, kam heil davon. Ein Delegierter, der anonym bleiben will, sagte gegenüber ND: »Du, Alter, wie kann man da kritisch sein, wenn alle einig sein wollen!« Zwar sei in den Kulissen gemurmelt worden, sagte er, aber im Saal herrschte das Gebot, vor Weihnachten keine großen Sprünge zu machen.

Die »Gazeta Wyborcza« kommentierte tags darauf: »Das SLD kann bestenfalls noch belustigen, die große Politik vergisst man besser. Für (Regierungschef) Donald Tusk und die Gebrüder Kaczynski ist das eine gute Nachricht.«

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