Steuersenkungspolitik zulasten des Sozialstaates

Seit 1. Januar neuer Grundfreibetrag und höheres Kindergeld / FDP beharrt auf weiteren massiven »Entlastungen«

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Während die Bundesregierung für dieses Jahr Steuerentlastungen in zweistelliger Milliardenhöhe eingeleitet hat, von denen besonders Wohlhabende profitieren, spricht die Gewerkschaft ver.di von einem »steuerpolitischen Chaos«.
Karikatur: Rainer Schwalme
Karikatur: Rainer Schwalme

Berlin (dpa/ND). Seit dem 1. Januar ist der steuerliche Grundfreibetrag von jährlich 7834 Euro auf 8004 Euro für Alleinstehende gestiegen. Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung können bis zu bestimmten Grenzen von der Steuer abgesetzt werden. Arbeitnehmer werden damit um insgesamt 9,5 Milliarden Euro entlastet. Steuerentlastung gibt es auch, weil alle Eckwerte in der Tarifkurve verschoben werden. Der Spitzensteuersatz von 42 Prozent etwa greift dann erst ab 52 882 Euro und nicht – wie zuletzt – ab 52 552 Euro.

Der jährliche Kinderfreibetrag steigt von 6024 auf 7008 Euro. Das monatliche Kindergeld wird um je 20 Euro erhöht. Für das erste und zweite Kind zahlt der Staat 184 Euro monatlich, für das dritte Kind 190 Euro und vom vierten Kind an je 215 Euro. Kinder in Hartz-IV-Familien haben von der Erhöhung nichts, da das Kindergeld komplett auf den Kinderregelsatz angerechnet wird.

Ver.di-Chef Frank Bsirske kritisierte: »Durch die Steuersenkungspolitik entsteht ein massiver Druck auf die öffentlichen Haushalte«. Der Vorsitzende im Rat der Wirtschaftsweisen, Wolfgang Franz, sagte dem »Tagesspiegel«: »Wie die Koalition Steuersenkungen in diesem Umfang finanzieren will, bleibt ihr Geheimnis.« Besonders kritisiert wird das Entgegenkommen von Schwarz-Gelb an Hoteliers. Für Einnahmen aus Übernachtungen muss seit Freitag nur noch die ermäßigte Mehrwertsteuer von sieben Prozent gezahlt werden.

Die FDP beharrt derweil auf weiteren massiven Steuersenkungen. »Ich bestehe auf die Einhaltung des Koalitionsvertrags. Darin haben wir eine grundlegende Steuerreform vereinbart«, sagte FDP-Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger dem »Hamburger Abendblatt«. »Wir werden die Bürger von 2011 an jährlich um 24 Milliarden Euro entlasten. Außerdem werden wir einen Stufentarif einführen.« Homburger betonte, »natürlich« würden diese Beschlüsse ohne Rücksicht auf Steuerschätzungen umgesetzt. Ver.di Chef Bsirske sagte dazu, dem »steuerpolitischen Chaos« in der schwarz-gelben Koalition liege die Annahme zugrunde, dass sich die Politik selbstfinanzieren könne. Gehe man davon aus, dass ein Prozent Wirtschaftswachstum sechs Milliarden Euro Steuermehreinnahmen brächten, bräuchte Deutschland, um die 24 Milliarden Euro Steuerentlastungen zu finanzieren, vier Prozent Wachstum in 2011. »Dies ist offenkundig illusorisch.« Damit werde deutlich, dass die Steuersenkungspolitik auf Pump betrieben werde. Dies gehe zulasten des Sozialstaats.

Auch die LINKE kritisierte Homburgers Forderungen scharf. Fraktionsvize Gesine Lötzsch sagte, die Steuersenkungspolitik sei in Wahrheit eine Umverteilungspolitik von unten nach oben. »Kein Rentner, kein Durchschnittsverdiener, kein Student, kein Kind aus einer Hartz-IV-Familie wird zu den Menschen gehören, die die FDP entlasten will«, betonte Lötzsch.

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