Der direkte Weg über den Nordpol

Schifffahrtsunternehmen prüfen schon die Möglichkeit einer Passage nach 2050

  • Burkhard Ilschner
  • Lesedauer: 2 Min.
Der Klimawandel macht's möglich: In den vergangenen beiden Jahren haben mehrere Frachtschiffe bereits die sommerliche Arktis-Fahrt entlang der kanadischen und russischen Küsten getestet – dort, wo Forscher und Abenteurer schon seit dem 17. Jahrhundert nach einer Nordwest- bzw. Nordost-Passage suchten. Der norwegische Schifffahrts-Dienstleister »Det Norske Veritas« (DNV) hat nun Chancen und Risiken ganzjährigen Verkehrs auf einem dritten Weg untersucht.

Unter dem Titel »ARCON – Arctic Container Project« prüft eine DNV-Studie die Möglichkeiten, Millionen Container schneller und billiger »via Nordpol« zu schicken, nämlich zwischen Spitzbergen und Grönland hindurch Richtung Pol und von dort durch internationale Gewässer zur Beringstraße.

Bislang zwingt das arktische Eis die Schifffahrt auf der Nordhalbkugel zu großen Umwegen via Suez oder Panama. 3,6 Millionen Standardcontainer wurden 2007 zwischen Rotterdam und Yokohama bewegt, laut DNV das größte Kontingent im Europa-Ostasien-Verkehr. Rund 21 000 Kilometer misst dieser Weg über Suez – gut 12 000 über den Pol: Das verspricht attraktive Kostensenkungen, aber noch ist diese Abkürzung eine Utopie. Die DNV-Experten blicken daher zunächst auf die Daten des UNO-Klimarats IPCC: Der sagt zwar ab 2030 deutliche Eisschmelze im Nordpolargebiet vorher und hält Eisfreiheit im Spätsommer für möglich. Aber auch 2050 rechnet IPCC noch mit winterlichen Eisstärken von ein bis zwei Metern.

Ein Containerschiff für so genannte Freiwasserfahrt ist für Eisfahrten wenig geeignet, umgekehrt haben eistaugliche Schiffstypen im Freiwasser deutlich schlechtere Fahreigenschaften. Für eine ganzjährige Arktis-Route sind also in der Schiffsentwicklung Kompromisse nötig zwischen Effizienz und Geschwindigkeit. Wer Containerschiffe über den Pol schicken will, muss zudem auch Ausrüstung und Ladung den harten Anforderungen anpassen. Aufwändigere Ladungssicherung und spezielles Unfallmanagement müssen unvermeidliche Vereisungen von Schiff und Ladung berücksichtigen. Spezifisch ausgebildete Mannschaften, teurer als heutige Fahrensleute, müssen vertraut sein mit den klimatischen Verhältnissen. Und während ein Standardcontainer im Suez-Verkehr rund 150 US-Dollar Versicherungsprämie kostet, kalkulieren die DNV-Experten für die riskantere Arktisroute 225 US-Dollar.

Zwischen 40 und 60 Prozent der Kosten eines Containerschiffs entfallen auf den Treibstoff. Die genannten Faktoren dämpfen zwar den Kostenvorteil der Routenverkürzung. Dafür entfällt aber auch die Suez-Kanalgebühr – 400 000 US-Dollar pro Passage eines Containerschiffs.

Insgesamt, so die DNV-Studie, dürfte eine ganzjährig polquerende Fahrt vor 2050 nicht wirtschaftlich sein. Ignoriert haben die DNV-Experten den ökologischen Aspekt: Schon in den kommenden Jahren ist in der Arktisregion mit mehr Schiffspassagen zu rechnen. Es bedarf daher dringend internationaler Vereinbarungen, um die empfindlichen Ökosysteme dieses bislang fast ungenutzten Meeresgebietes zu schützen.

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