Klimaschutz trifft Fleisch

Die Internationale Grüne Woche ist auch ein agrarpolitisches Forum

  • Ina Beyer
  • Lesedauer: 5 Min.
Diesmal kommen 56 Agrarminister in die Hauptstadt, um über Herausforderungen des Klimawandels und der Ernährungssicherung zu diskutieren. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat bereits eine Reihe politischer Forderungen im Gepäck.

Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) organisiert im Rahmen der Grünen Woche eine dreitägige Konferenz, bei der Strategien im Umgang mit Klimawandel und Ernährungssicherheit diskutiert werden sollen. 56 Länder haben für Samstag ihre Teilnahme am Internationalen Agrarministerforum zugesagt. Anschließend sollen auf dem 2. Berliner Agrargipfel Erfahrungen und Konzepte der Länder zum Klimaschutz und Anpassungsstrategien diskutiert und schließlich ein gemeinsames Ergebnis verabschiedet werden. Die Wirtschaft will in einem eigenen Forum separat Lösungsansätze diskutieren.

Doch nicht nur das Klima ist für die Agrarwirtschaft eine Herausforderung. Das Krisenjahr 2009 habe die Bauern stark gebeutelt, schaut der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, bei der Eröffnungspressekonferenz zur Grünen Woche am Mittwoch in Berlin zurück. Nach Großdemonstrationen und politischen Gesprächen habe die Bundesregierung auch für die Agrarwirtschaft endlich Konjunkturhilfen verabschiedet. Bauernlobbyist Sonnleitner lobte die neue Bundesregierung für die Absenkung der Agrardieselsteuer. Auch die niedrigeren Beiträge zur landwirtschaftlichen Unfall- und Krankenversicherung seien eine Erleichterung für die Bauern gewesen. Die »extremen Verluste« auf den Absatzmärkten ließen sich jedoch mit keinem politischen Programm wieder ausgleichen, so Sonnleitner weiter.

Besonders zu schaffen macht den Bauern der stetige Preisverfall. Zwölf Mal haben die Discounter 2009 die Preise gesenkt. Der Umsatz der Ernährungsindustrie fiel – bei gleicher Absatzmenge – von 156,3 Milliarden Euro im Jahr 2008 auf 149,8 Milliarden Euro 2009. Das sind ganze fünf Prozent (6,5 Milliarden Euro). Daher müsse es Gespräche mit Politik und Handel geben, so Sonnleitner.

2010 wird der finanzielle Rahmen für die europäische Agrarpolitik für die Jahre 2013 bis 2020 neu gesteckt. Auf der Messe wolle man die Diskussion um ihre künftige Ausgestaltung führen, kündigte Sonnleitner an. »Für uns ist klar: Die gesellschaftlichen Leistungen unserer Bauern müssen entsprechend honoriert werden«.

Sonnleitner verteidigte den Beitrag der Bauern zu einem »aktiven Klimaschutz«, auch wenn sechs Prozent der Emissionen in Deutschland durch die Landwirtschaft ausgelöst werden. Als Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) kürzlich den Klimaschutz in Beziehung zum Fleischverkehr gesetzt habe, sei er »irritiert« gewesen, so Sonnleitner. Zur gesunden Ernährung gehöre auch Fleisch. Wer vom Rindfleischkonsum wegen des klimaschädlichen Methanausstoßes bei Wiederkäuern abrate, »der wird auch keine gesunde Milch mehr haben«. Verzichtsempfehlungen seien gewiss der falsche Weg, das Weltklima zu retten.

Gerd Billen vom vzbv sieht das anders. Ohnehin sei der Fleischkonsum vor allem bei Männern zu hoch. Diese äßen durchschnittlich über 60 Kilogramm Fleisch im Jahr – empfohlen werden 25-30 Kilogramm. Billen kritisierte Aigner, weil sie den Anteil der Landwirtschaft am Emissionsausstoß »verniedliche«. Veränderungspotenziale würden dadurch nicht ausreichend ausgeschöpft.

Der vzbv hat ein Fünfpunkteprogramm zur Lebensmittel- und Ernährungspolitik vorgelegt. Darin fordert er unter anderem, europäische Standards in der Lebensmittelproduktion an Verbraucherinteressen und Nachhaltigkeitskriterien auszurichten. Zudem müssten Risiken bei der Lebensmittelsicherheit angemessener gewichtet und die Lebensmittelkontrolle weiter verbessert werden.

Der Verbraucherschutzverband ermahnte Bundesregierung und Lebensmittelindustrie, nicht mit dem Vertrauen der Kunden zu spielen. Stattdessen sollten staatliche und private Lebensmittelkontrolle besser miteinander verzahnt und Lebensmittelimitate gekennzeichnet werden. Bilder, die Zutaten zeigten, die nicht im Produkt enthalten sind, gehörten verboten. Auch verlangt der vzbv eine Herkunftskennzeichnung für Lebensmittel, die Einführung der Nährwertampel und die Einfärbung von Fleischabfällen.

Hoffnungen setzt der Verband in die Novellierung des Verbraucherinformationsgesetzes. Sie soll ermöglichen, dass Überwachungsbehörden wiederholt auffällig gewordene Firmen und Produkte öffentlich machen können.

75. Grüne Woche

  • Die Grüne Woche findet vom 15. bis 24. Januar in Berlin statt. Bereits zum 75. Mal wird die weltgrößte Messe für Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau seit ihrer Premiere 1926 in den Messehallen unter dem Funkturm ihre Pforten öffnen.
  • Auf 115 000 Quadratmetern präsentieren 1589 Aussteller aus 56 Ländern (2009: 1600 Aussteller aus 56 Ländern) ihre Produkte.
  • Neu hinzugekommen ist der Bereich Fair Trade, der sich in Halle 6.2b vorstellt.
  • Rund 100 000 Spezialitäten aus aller Welt werden den Besuchern angeboten.
  • Mehr als 11 000 Haus- und Heimtiere sind auf dem Messegelände anzutreffen und auch wer Pflanzen liebt, kommt nicht zu kurz: 30 000 Blütenpflanzen verschönern allein die Internationale Blumenhalle.
  • Offizielles Partnerland 2010 ist Ungarn, das seit 1972 an der Grünen Woche teilnimmt. Seine Produkte stellt das Land in Halle 10.2 auf 1600 Quadratmetern aus. Neben der Agrar- und Lebensmittelproduktion stehen touristische und kulturelle Highlights im Mittelpunkt. Gezeigt werden unter anderem der Plattensee, verschiedene Weinanbaugebiete und die Puszta.
  • Die neuen Bundesländer präsentieren sich zum 20. Mal.
  • Über 400 000 Besucher werden erwartet – darunter 100 000 Fachbesucher.
  • In diesem Jahr wird voraussichtlich der insgesamt dreißigmillionste Grüne-Woche-Besucher die Hallen betreten.
  • Über 300 Konferenzen, Tagungen und Seminare für die Fachwelt finden im Laufe der Woche statt. Wer Unterhaltung sucht, kann sie auf 22 Showbühnen und Kochstudios finden.
  • Veranstaltet wird die Grüne Woche von der Messe Berlin GmbH. Träger sind der Deutsche Bauernverband und die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie.
  • Geöffnet ist täglich von 10 bis 18 Uhr, an den Samstagen und am zweiten Freitag ist das Gelände bis 20 Uhr zu besuchen.
  • Sogenannte Happy Hour Karten ermöglichen den Eintritt nach 14 Uhr zum Preis von nur 7 Euro. ib
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