»Klinischer« Auftritt

Ausweichmanöver der Wall-Street-Mogule im US-Kongress

  • Lesedauer: 3 Min.

Von Max Böhnel, New York

In Washington hat eine Expertenkommission, die die Ursachen der Finanzkrise aufklären soll, ihre Arbeit aufgenommen.

Der erste Tag der Befragungen von Zeugen im Untersuchungsausschuss des US-Kongresses stand im Zeichen der Schadensbegrenzung durch die Großbanker. Dabei hatte der Ausschussvorsitzende Philip Angelides erklärt, es gehe um die schonungslose Aufklärung der Krise und die Wiederherstellung des Vertrauens in den Finanzsektor. Die Anwesenheit der »Fat Cats«, der Chefs der vier größten US-Banken, hätte durchaus zu Wutausbrüchen der »Financial Crisis Inquiry Commission« und Enthüllungen durch die so Angegriffenen führen können. Aber die Befragten blieben »klinisch«, wie die »New York Times« kommentierte, und »technisch bis zur Ermüdung«.

Dem zehnköpfigen Expertenkomitee saßen die zuvor vereidigten Chefs von JP Morgan Chase, Morgan Stanley, der Bank of America und von Goldman Sachs gegenüber. Angelides, der früher kalifornischer Finanzminister war, hatte zuvor erläutert, die Amerikaner seien »zu Recht sauer«, und zitierte die erwarteten Bonuszahlungen der Banker sowie die Profite der Institute. Allein die fünf größten Banken, die im vergangenen Jahr Regierungsspritzen von hunderten Milliarden Dollar erhalten hatten, werden Schätzungen zufolge zusammen 90 Milliarden Dollar an Bonuszahlungen im laufenden Jahr ausschütten. Doch von Bedauern, geschweige denn einer Entschuldigung, war von den Verursachern der schweren Finanzkrise nichts zu hören. Stattdessen machte einer nach dem anderen gegenüber Angelides Ausflüchte. Die Institute seien in den Jahren vor dem Crash zu große Risiken eingegangen, aber der Zusammenbruch sei nicht vorauszusehen gewesen. Die Banker machten sich zu »Opfern der Umstände«, schrieb die »Washington Post« dazu.

Lloyd Blankfein von Goldman Sachs verglich die Finanzkrise mit den schweren Orkanen vom letzten Jahr. »Auch wenn wir jetzt gestärkt aus der Krise hervorgehen, haben wir wie andere auch Fehler gemacht«, sagte er. Ein Schlüsselversäumnis sei die Auslagerung der Bewertung von Investmentbanken an Rating-Agenturen gewesen. Es müsse darum gehen, »Verfahren zur Risikoabwägung zu stärken«. Jamie Dimon von JP Morgan Chase meinte, es gebe eine »legitime Sorge«, dass die Bonuszahlungen vor Krisenausbruch so manchen Banker zu ungewöhnlichen Risikokäufen und -verkäufen veranlasst hätten – aber die Belohnungspolitik der Investmentbank sei »angemessen gewesen« und sei es »auch heute noch«. Zur Blasenbildung auf dem Immobilienmarkt, dessen Zusammenbruch die Finanzmärkte mitauslöste, hatte er nur zu sagen: »Irgendwie haben wir verpasst darüber nachzudenken, dass die Immobilienpreise nicht ewig steigen können.«

Der Kongressausschuss ist laut eigenem Selbstverständnis nach dem Muster des sogenannten Pecora-Ausschusses gestrickt, der einst den Wall-Street-Crash von 1929 untersuchte. Als Resultat seiner Arbeit hatte sich damals unter anderem die Einrichtung der Börsenaufsichtsbehörde SEC ergeben. Die Anhörungen werden sich bis in den nächsten Winter hinziehen. Am 15. Dezember erwartet Präsident Barack Obama den Untersuchungsbericht auf seinem Schreibtisch.

Derweil fordert der Ausschuss des Repräsentantenhauses für Rechnungskontrolle die Herausgabe interner Dokumente der US-Notenbank Fed über die staatliche Rettung des angeschlagenen Versicherers AIG. Es geht um die Frage, ob es rechtens war, dass AIG die Finanzspritzen zur Auszahlung von Milliardensummen an Kunden wie Deutsche Bank, Goldman Sachs oder Barclays nutzte, die sich gegen Ausfallrisiken spekulativer Wertpapiere versichert hatten. Unter Druck steht Finanzminister Timothy Geithner, der als damaliger Chef der New Yorker Fed eine wichtige Rolle bei der Bewältigung der AIG-Krise spielte.

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