Haft ohne Urteil für 50 Guantanamo-Gefangene

Kommission warnt: Prozesse könnten platzen

  • Lesedauer: 2 Min.
Rund ein Viertel der knapp 200 verbliebenen Guantanamo-Insassen sollten aus Sicht einer staatlichen Sonderkommission der USA auch nach Schließung des Lagers ohne Prozess in Haft bleiben.

Washington (dpa/AFP/ND). Wie die »Washington Post« am vergangenen Freitag unter Berufung auf Regierungsbeamte berichtete, rät eine eigens eingesetzte Kommission des Justizministeriums, mindestens 110 der derzeit 196 Gefangenen freizulassen. 35 sollten unterdessen wegen Terrorverdachts vor Gericht gestellt werden. Die verbleibenden 50 sollten ohne Verfahren eingesperrt bleiben.

Der Zeitung zufolge ist es das erste Mal, dass die Regierung von Präsident Barack Obama klar beziffert, wie viele Gefangene sie für zu gefährlich hält, um sie freizulassen. Die Regierung will in diesen Fällen aber auch kein Verfahren, unter anderem deshalb nicht, weil die Betroffenen gewaltsamen Verhören ausgesetzt gewesen sein könnten und ein Gerichtsverfahren deshalb platzen könnte.

Menschenrechtler hatten in den vergangenen Jahren scharfe Kritik an der Praxis des damaligen Präsidenten George W. Bush geübt, Gefangene in Guantanamo ohne Verfahren unbefristet festzuhalten. Barack Obama wollte das weltweit kritisierte Lager eigentlich bis zum 22. Januar schließen. Wegen zahlreicher Rechts- und Sicherheitsbedenken wurde dieser Termin jedoch verschoben. Die Gefangenen sollen in ein Hochsicherheitsgefängnis in Illinois verlegt werden.

Auch jetzt kritisierte der Direktor der Bürgerrechtsorganisation ACLU, Anthony Romero, in der »Washington Post«: »Es gibt in den USA keinen rechtlichen Rahmen, der uns erlaubt, Menschen ohne Anklage oder Verfahren endlos einzuschließen.« Die Zeitung zitierte jedoch einen Mitarbeiter der Obama-Regierung mit den Worten: »Wenn Politik auf die Realität trifft, kann das schmerzhaft sein.« Die Prüfung jedes einzelnen Falles in Guantánamo durch die Sonderkommission des Justizministeriums sei immerhin ein Fortschritt gegenüber der Politik des früheren Präsidenten Bush. »Es geht voran, und jetzt wird sehr viel planvoller und weniger zufällig verfahren, als es früher der Fall war«, sagte der Beamte.

Die Regierung hatte erst am Donnerstag die Überstellung zweier algerischer Insassen in ihr Heimatland bekanntgegeben. Seit 2002 wurden mehr als 570 Gefangene in mindestens 37 Länder überstellt. Im Oktober hatte der Kongress grünes Licht für die Verlegung von Häftlingen auf das amerikanische Festland gegeben, allerdings nur, um ihnen dort den Prozess zu machen. Einen Monat später entschied die Regierung, dass die mutmaßlichen Drahtzieher der Anschläge vom 11. September 2001 in New York vor Gericht gestellt werden sollen.

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