Zwei »Sieger« und ein Thron

Bei der Präsidentenwahl in Sri Lanka wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen erwartet

  • Hilmar König, Delhi
  • Lesedauer: 3 Min.
Sri Lankas Regierung fühlt sich verpflichtet, freie und demokratische Präsidentenwahlen zu garantieren. Das unterstrich eine Erklärung aus dem Büro des Staatsoberhaupts. 14 Millionen Wahlberechtigte sind aufgerufen, am heutigen Dienstag einen neuen Staatschef zu bestimmen.

»Fifty-fifty«, antworten viele Bürger Sri Lankas auf die Frage nach den Chancen der Anwärter auf das höchste Amt im Staat. Sie meinen damit die beiden Favoriten unter den 22 Bewerbern. Der amtierende Präsident Mahinda Rajapakse, der nach dem militärischen Sieg über die tamilischen Rebellen (LTTE) im Mai 2009 die Wahl zwei Jahre vorfristig ansetzte, wurde von der regierenden Vereinten Volksfreiheitsallianz als Kandidat aufgestellt. Sein Herausforderer ist der frühere Armeechef General Sarath Fonseka, der als Unabhängiger ins Rennen geht, aber von der oppositionellen Vereinten Nationalen Front unterstützt wird.

Fonseka war im Jahre 2005 von Rajapakse zum Armeechef ernannt, nach dem Sieg über die LTTE aber aufs Abstellgleis geschoben worden. Seitdem sind sich beide Spinnefeind, obwohl sie politisch aus dem gleichen Lager kommen und zu den singhalesischen Falken gehören. Sie tragen gleichermaßen Verantwortung für die Vernichtung der LTTE, der Befreiungstiger von Tamil Eelam, die einen Separatstaat schaffen wollten. Den noch aus der britischen Kolonialzeit stammenden, 1983 offen ausgebrochenen Konflikt zwischen der Minderheit der Tamilen und der Mehrheit der Singhalesen, der etwa 100 000 Menschenleben kostete, behandelten sie als »Terrorismusproblem«.

Während des Krieges hätte sich niemand vorstellen können, dass Rajapakse und Fonseka zu erbitterten Kontrahenten werden. Doch beide sahen sich als Kriegshelden und wollten den Ruhm unter keinen Umständen teilen. Am längeren Hebel saß freilich der Präsident, der den General eiskalt ausbootete. Fonseka hängte die Uniform an den Nagel und nahm den Fehdehandschuh auf. So kam es zu einer Schlammschlacht, in der »Blechbüchsendiktator« und »Pappkönig« noch die harmloseren Bezeichnungen waren. Man unterstellte einander Putschabsichten. Über 850 Gewaltakte mit fünf Toten und mehreren hundert Verletzten wurden während der sechswöchigen Wahlkampagne registriert, in der sich Rajapakse dreist über alle Richtlinien der Wahlkommission hinwegsetzte und die staatlichen Medien für sich werben ließ.

Die Asiatische Menschenrechtskommission, das Zentrum für Politikalternativen in Colombo und Menschenrechtsgruppen äußerten ihre Befürchtung, dass es weder eine freie noch eine faire PWahl geben wird. Der frühere Chefrichter Sarath Silva stellte fest: »Obwohl der Krieg beendet wurde, gibt es keine Verbesserung auf dem Gebiet der Menschenrechte und des Regierungsstils ... Erstmals in der Geschichte des Landes hat diese Regierung das Gericht beleidigt, indem sie seinen Anordnungen trotzte. Die Macht des Präsidenten wurde derart aufgebläht, dass sie geradezu alle Lebensbereiche betrifft. Ihn für Recht und Ordnung verantwortlich zu machen ist unmöglich, da es keine Kontrollmechanismen gibt. Die Menschen bleiben der Regierung und den öffentlichen Diensten entfremdet. Das ist keine Demokratie.«

Das Oppositionsbündnis klagt autoritäre Führung, Korruption und Vetternwirtschaft an. Mahinda Rajapakse hat zahlreiche Verwandte – drei Brüder sowie Neffen, Nichten und Cousins – in einflussreiche Positionen gebracht.

Keiner der beiden favorisierten Kandidaten ist indes in der Wahlkampagne auf die wirklichen Probleme der Gesellschaft eingingen, beispielsweise die enorme Verteuerung von Nahrungsmitteln wie Reis und Zucker, die mit dem »Kampf gegen den Terrorismus« begründeten Einschränkungen der Bürgerrechte oder den ungelösten ethnisch-sozialen Konflikt. Gleichzeitig begriffen sie, dass die geplagte tamilische Minderheit – rund 12,5 Prozent der Bevölkerung – zum entscheidenden Faktor des Wahlausgangs werden könnte, wenn sie sich für eine Stimmabgabe entscheiden sollte. Nicht von ungefähr wurden ihr eine Reihe von Versprechungen gemacht.

So will Rajapakse den Wiederaufbau im ehemaligen Kriegsgebiet und die soziale Rehabilitation der zurückgekehrten rund 300 000 Inlandsvertriebenen ankurbeln. Der General a.D. seinerseits will den seit 2005 bestehenden Ausnahmezustand schnell beenden und eine Generalamnestie für alle Kriegsbeteiligten erlassen. Ob das reicht, die Tamilen zur Wahlteilnahme zu veranlassen, bleibt abzuwarten. Immerhin unterstützen ihn Teile der Tamil National Allianz, die einst als »parlamentarischer Stoßtrupp« der LTTE agierte. Das Votum der Singhalesen, so glauben Beobachter, wird sich auf die beiden Hauptkandidaten verteilen. Deshalb die verbreitete Meinung im Volk: »Fifty-fifty«.

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