Bürgermeister ruft zum Trinken auf

Appell an die Bürger der italienischen Gemeinde Tarzi spaltet das Land

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.

»Trinkt mehr Wein – und ihr bleibt gesund!« Mit dieser einzigartigen Aufforderung hat sich Bürgermeister Gianangelo Bof an die Bürger seiner Gemeinde gewandt. Und sein Kreuzzug ist nicht ganz uneigennützig.

In den nächsten Tagen wird in allen Bars und Restaurants, am Eingang des Rathauses und sogar in der offiziellen Webseite der kleinen Gemeinde Tarzi, etwa 70 km nördlich von Venedig, folgendes Manifest zu lesen sein: »Bürger von Tarzi, trinkt täglich ein oder zwei Glas Wein. Das ist nicht ungesund«. Und um seinem Aufruf mehr Nachdruck zu verleihen: »Ich habe mich über die Wirkung von Wein informiert, habe Ärzte und Universitätsprofessoren konsultiert und wissenschaftliche Untersuchungen gelesen. Und als Verantwortlicher für die öffentliche Gesundheit fordere ich meine Mitbürger auf: trinkt, aber natürlich mäßig. Ein oder zwei Gläser Wein pro Tag, möglichst zum Essen, sind nicht ungesund. Im Gegenteil: fette Speisen werden besser verdaut und einigen Krankheiten kann man so vorbeugen«.

Und Gianangelo Bof geht noch weiter: »Man spricht immer nur davon, dass man nicht betrunken Auto fahren sollte. Wer das tut, muss bestraft werden. Aber die Unfälle, die auf zu viel Alkohol zurück zu führen sind, sind nur wenige. Man sollte sich lieber fragen, wie viele Menschen Psychopharmaka nehmen und sich dann hinters Steuer setzen.«

Mit seiner Initiative hat der Bürgermeister (Lega Nord) viel Wirbel gemacht und das Land gespalten. Auf seiner Seite (wie sollte es anders sein?) in erster Linie die Winzer, die Restaurantbetreiber und auch Italiens Landwirtschaftsminister Luca Zaia, der eine »Kriminalisierung« des Weins befürchtet. Entschieden gegen den Aufruf sind hingegen die Ärzte. Pier Paolo Urbani, Chefarzt der psychiatrischen Abteilung in Vittorio Veneto, nur wenige Kilometer von Tarzi entfernt und ebenfalls in der Heimat des Prosecco und des Grappa gelegen: »Zwei Gläser Wein sind wirklich das Limit. Und die Botschaft von Bof ist alles andere als positiv. Man sollte eher zur extremen Enthaltsamkeit raten«. Und um seiner Idee noch mehr Nachdruck zu verleihen, fordert er dann auch noch, dass man auf den Weinflaschen ähnliche Warnschilder wie auf Zigarettenpackungen anbringt. »Die Leute müssen wissen, dass Alkohol gefährlich ist«.

Nun geht die öffentliche Debatte in Italien auch eher in diese Richtung. In Werbekampagnen und auch in Fernsehspots werden vor allem die Jugendlichen aufgefordert, sich nicht unter Alkoholeinfluss ans Steuer zu setzen und die erlaubte Promillegrenze von 0,5 auf keinen Fall zu überschreiten. Auch in Italien gibt es mittlerweile das Phänomen des Komasaufens und der alkoholisierten Jugendlichen.

Die Stadt Mailand will sogar ein Punktesystem für junge Leute einrichten, die bewusst auf Alkohol verzichten und ihnen Rabatte gewähren. Allerdings ist noch nicht klar, wie man das auch durchsetzen und kontrollieren soll. Aber Gianangelo Bof bleibt bei seiner Meinung. Und so ganz wird man den Verdacht nicht los, dass er dabei auch an seinen ganz persönlichen Vorteil denkt. Denn in Tarzi betreibt der quirlige Bürgermeister mit seiner Familie ein bekanntes Restaurant …

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