Terror – mitten in Europa

  • Ingolf Bossenz
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Autor ist ND-Redakteur und schreibt unter anderem über Themen aus dem Bereich Tierrechte/ Tierethik.
Der Autor ist ND-Redakteur und schreibt unter anderem über Themen aus dem Bereich Tierrechte/ Tierethik.

»Das Messer blitzt, die Schweine schrein, / Man muss sie halt benutzen, / Denn jeder denkt: Wozu das Schwein, / Wenn wir es nicht verputzen?«

Lebte Wilhelm Busch (1832-1908) heute, würde er diese Frage wohl kaum für so selbstverständlich halten. Denn längst haben kreative Menschen Möglichkeiten ersonnen, das Schwein weitaus vielseitiger zu »benutzen«. Dass Europa dabei durchaus Bahnbrechendes beizusteuern hat, belegen jüngste Nachrichten. So wurden auf einem Militärstützpunkt in England 18 Schweine betäubt und in Brandschutzdecken gehüllt. Dann zündete man in zwei Meter Entfernung Sprengstoff und beobachtete anschließend, wie viel Zeit den zerfetzten Kreaturen noch blieb, um endgültig zu krepieren. Dieser jetzt bekannt gewordene Versuch fand bereits im Jahr 2002 statt. Allerdings ließ eine Sprecherin offen, ob solche mit dem Kampf gegen Terrorismus begründeten Experimente weiterhin erfolgen.

Doch auch der zivile Bereich ist gegenüber Innovationen bei der Benutzung von Schweinen aufgeschlossen: In Österreich wurden lebende Schweine in Schneemassen begraben, in denen sie langsam erstickten respektive erfroren – beobachtet von Wissenschaftlern, die daraus Informationen über Todesumstände in Lawinen gewinnen wollten. Immerhin wurde das Experiment im Tiroler Ötztal wegen Massenprotesten in Österreich sowie im Ausland nach dem Tod von zehn Tieren abgebrochen. Zur Erinnerung: 2008 saßen in Österreich zehn Tierschützer monatelang in Haft. Wegen mutmaßlicher Anschläge mit Stinkbomben ermittelte damals der Staatsanwalt gegen sie als Mitglieder einer Terrorvereinigung. Was, mit Verlaub, sind dann wohl jene Institutionen, die den Terror im Ötztal planten und praktizierten? An deren Spitze stand immerhin das Wissenschaftsministerium in Wien, das dafür sein Plazet erteilt hatte.

Bei dem Tiroler Todestest ging es um insgesamt 29 Schweine. 170 Millionen dieser intelligenten und sozialen Tiere werden in Europa jährlich geschlachtet, um »verputzt« zu werden. Bereits auf dem Transport zum Schlachthof sterben Hunderttausende an Stress. Und bis es so weit ist, leben sie unter Bedingungen, die einem Danteschen Inferno für Tiere entstammen könnten. Mitten in Europa.

Sicher, der Terror gegen Tiere ist allgegenwärtig und wird zunehmend ausgeklügelter. Doch keine »Nutztier«-Art ist dem Furor moderner Fleischproduktion wohl derart ausgeliefert wie das Schwein.

So verweist der Verband Menschen für Tierrechte darauf, dass die meisten Schweine in Deutschland in industriell geprägten Mastanlagen mit bis zu 60 000 Tieren gehalten werden. Sie sehen niemals Tageslicht und vegetieren in überfüllten strukturlosen Buchten mit Betonspaltenböden ohne Stroh und Beschäftigungsgelegenheit. Die Tiere haben weder Auslauf noch Suhl- und Scheuermöglichkeiten. Die unnatürliche Haltung führt zu Gelenk- und Muskelkrankheiten, Kreislaufschwäche, schmerzhaften Druckstellen, Hautabschürfungen und Verletzungen. Bei einem Großteil der Schweine werden zudem die Schwänze kupiert – was laut einer bereits 2003 in Kraft getretenen EU-Richtlinie verboten ist. »Was in vielen Schweineställen Europas passiert, ist grausam und verstößt eindeutig gegen europäische Tierschutzbestimmungen«, beklagt Peter Stevenson vom britischen Fachverband für Nutztierschutz.

Der Preis für das angeblich vom »Verbraucher« verlangte billige Schnitzel ist extrem hoch – angesichts von Zuständen, die schon lange nichts mehr zu tun haben mit Wilhelm Buschs romantischem Diktum, es werde »mit Recht ein guter Braten gerechnet zu den guten Taten«.

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