Fabrikruine geerbt

Gerade in Sachsen gibt es viele Industriebrachen. Mancherorts gelingt eine neue Nutzung

  • Anett Böger, dpa
  • Lesedauer: 2 Min.
Mächtige Fabrikgebäude zeugen vielerorts in Sachsen von früheren Glanzzeiten der Industrie. Doch zahlreiche davon sind verwaist und verfallen, hängen Städten und Gemeinden wie ein Klotz am Bein. Unternehmen bauen lieber neu, als in Hinterlassenschaften aus dem 19. oder frühen 20. Jahrhundert zu produzieren.

Neugersdorf. Auch an der sächsisch-tschechischen Grenze hat man an dem Erbe aus der Hochzeit der regionalen Industrie schwer zu tragen. In Neugersdorf, einst ein Zentrum der Textilbranche, stehen Industriebrachen auf insgesamt rund zehn Hektar. Die Stadt hat ein Investitionsprogramm für elf Vorhaben zwischen 2007 und 2013 aufgelegt, in dem etwa acht Hektar dieser Flächen berücksichtigt wurden.

»Wir haben uns Schritt für Schritt Objekte vorgenommen«, sagt Bürgermeisterin Verena Hergenröder (parteilos). Sie spricht von einem Kraftakt, der nötig sei, um ungenutzte Fabrikgrundstücke zu beräumen. Die rund 6000 Einwohner zählende Stadt müsse dafür immer auch einen gewaltigen Eigenanteil aufbringen. So hat sie mehr als 340 000 Euro für den Abriss von Überresten zu tragen, die der frühere Textilgigant Lautex hinterließ. Er beschäftigte zu DDR-Zeiten allein in Neugersdorf über 6000 Menschen. Fast 1,6 Millionen Euro sind bis 2012 für das gesamte Projekt veranschlagt. 75 Prozent der Kosten werden aus dem EU-Programm Efre gefördert.

Wofür das frei geräumte Gelände später einmal genutzt werden könnte, ist ungewiss. »Die Vermarktung kommt später«, sagt Hergenröder. Nicht weit davon dehnt sich bereits eine große unbebaute Fläche aus. Dafür verschwanden eine alte Gießerei und eine ehemalige Weberei. Unweit des Grenzübergangs nach Tschechien, wo eine stillgelegte Textilfabrik den Blick verschandelte, entstand 2007 eine grüne Oase. Das Gelände hatte die Stadt vor der Sanierung erworben. Auch der Kauf von Grundstücken werde teilweise gefördert, berichtet die Bürgermeisterin.

Bereits 1999 war Neugersdorf ungewöhnliche Wege gegangen, um einen Schandfleck zu beseitigen. Einen leeren Betrieb, in dem früher Stoffbahnen gummiert wurden, ließ die Stadt Stein für Stein abtragen. Die geborgenen Baustoffe wie Ziegelsteine, Holzbretter oder historische Treppengeländer wurden später verkauft, und das umgebaute Fabrikgebäude öffnete 2004 als Seniorenwohnanlage.

Neugersdorf ist im Umgang mit Industriebrachen kein Sonderfall. »Andere Städte in Sachsen haben ähnliche Hinterlassenschaften«, sagt der Sprecher des Innenministeriums in Dresden, Frank Wend. Zwischen 2007 und 2013 stelle die Europäische Union etwa 50 Millionen Euro zur Verfügung, um brachliegende Flächen wiederzubeleben. Davon seien bislang mehr als die Hälfte für insgesamt 100 Vorhaben bewilligt worden. Leipzig profitiert davon ebenso wie Meerane oder Großschönau.

Ein ausgesprochen sehenswertes Beispiel, wie sich eine Industriebrache sinnvoll umbauen lässt, hat Cunewalde (Landkreis Bautzen) vorzuweisen. Eine 1991 stillgelegte Weberei verwandelte sich dort in das Verwaltungs- und Bürgerzentrum der Gemeinde. Mit knapp 480 000 Euro beteiligte diese sich an den Baukosten von rund 2,8 Millionen Euro, mit denen das dreistöckige Gebäude zwischen 2005 und 2007 saniert wurde.

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