Schnelltraining für Analphabeten

Magdeburger Wissenschaftler haben ein tagesfüllendes Rundum-Programm entwickelt

  • Lesedauer: 2 Min.

Magdeburg. (dpa/ND). Mit viel Kraft lavieren sie sich durch den Alltag. Bundesweit rund vier Millionen funktionale Analphabeten wollen niemanden merken lassen, dass sie nicht können, was scheinbar alle anderen selbstverständlich ständig tun: Lesen und Schreiben.

Neuropsychologen der Uni Magdeburg haben ein tagesfüllendes Programm für Analphabeten entwickelt, das neben Unterricht im Lesen und Schreiben auch Kochen, Sport oder Bewerbungstraining sowie Ausflüge und ein Training am Computer enthält. Inzwischen können sie erste Erfolge verzeichnen. Rund 20 Analphabeten, 27 bis 58 Jahre alt, hatten sieben Monate lang den Kurs in Osnabrück absolviert. Das Programm basiert auf der Annahme von Projektleiter Jascha Rüsseler, dass Analphabetismus nicht nur aus sozialen Gründen entsteht, etwa weil Kinder in der Schule oft gefehlt haben, sondern dass auch mangelnde Wahrnehmungsfähigkeiten eine Rolle spielen. Das ist bei Legasthenikern so. Die Forscher vermuteten Parallelen und trainierten an dieser Stelle besonders.

Das Ergebnis: Vor dem Kurs waren die Teilnehmer auf dem Niveau eines Grundschülers im ersten Halbjahr der ersten Klasse. »Danach waren sie auf dem Level Ende des zweiten Schuljahres«, erklärt Rüsseler. Dass die Analphabeten das Grundschulpensum von eineinhalb Jahren in sieben Monaten geschafft haben, liegt Rüsseler zufolge an der Kombination der Methoden. Dennoch: Die Forscher hatten auf mehr gehofft, etwa das Niveau der vierten Klasse. »Uns war nicht klar, dass die Teilnehmer teils auch Alkoholprobleme haben oder Probleme damit, pünktlich irgendwo hinzukommen«, sagt Rüsseler. Dennoch habe der Kurs in den meisten Fällen etwas gebracht.

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