Griechen trotzen Diktat der EU
Zehntausende bei Generalstreik gegen die von Brüssel auferlegten Sparprogramme
»Die Menschen und ihre Bedürfnisse über die Märkte« lautete das Motto des Gewerkschaftsdachverbandes GSEE, der die Beschäftigten in der privaten Wirtschaft vertritt, zum gestrigen Generalstreik in Griechenland. Neben der GSEE hatten auch der Dachverband für den öffentlichen Dienst ADEDY sowie die kommunistisch orientierte Gewerkschaftsfront PAME zum Streik aufgerufen, an dem sich laut Angaben der Dachverbände fast alle Staatsangestellten, 70 Prozent der bei den Strom- und Wasserwerken, der Post, der Eisenbahn und den Banken sowie der bei den größeren Industriebetrieben Arbeitenden beteiligten.
Bei der von den Kommunisten dominierten Gewerkschaft der Bauarbeiter lag die Streikbeteiligung sogar bei 90 Prozent. Behörden, Schulen und Universitäten blieben geschlossen, alle Flugzeuge am Boden und die Schiffe in den Häfen. In den Krankenhäusern wurden nur Notfälle behandelt, in Athen fuhren weder Busse noch Metro. Weil auch die Journalisten streikten, gab es am Mittwoch in Fernsehen und Rundfunk keine Nachrichten und erscheinen am heutigen Donnerstag keine Tageszeitungen.
Statt auf der Arbeit versammelten sich die Streikenden auf Kundgebungen und Demonstrationen in etwa 70 Städten des Landes. »Ihr Traum ist der Wohlstand der Zahlen, unserer der der Menschen«, hieß es auf einem Transparent der Radiotechniker in Athen, »Wir müssen ihre Krise werden«, verkündete das Spruchband des Gewerkschaftsnetzes der Linksallianz SYRIZA.
Zwar richten sich die von Ministerpräsident Giorgos Papandreou beschlossenen Maßnahmen zur Konsolidierung der griechischen Staatsfinanzen – Einstellungsstopp und Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst – vorrangig gegen die etwa 410 000 Staatsbediensteten. Konsumsteuererhöhungen und die angekündigte Erhöhung der Lebensarbeitszeit um etwa zwei Jahre betreffen jedoch alle Lohnabhängigen. Darüber hinaus fürchtet man, dass der Unternehmerverband in der privaten Wirtschaft nur allzu willig die staatlichen Vorgaben für seine Beschäftigten übernehmen wird.
Etwa 30 bis 40 Euro im Monat wird Anta Striftobola durch die Lohnkürzungen in Zukunft weniger verdienen. »Das hört sich vielleicht nicht so viel an, aber bei 1400 Euro netto muss ich mit jedem Cent rechnen.« Neben den eigenen Verlusten schmerzt die seit 25 Jahren unterrichtende Gymnasiallehrerin vor allem die angekündigte Beschneidung der Stellen im Bildungswesen um bis zu 50 Prozent. Andreas, Giorgos und Kostas installieren Klimaanlagen in Athen. Als Festangestellte mit 40 Stunden Wochenarbeitszeit verdienen sie maximal 900 Euro netto im Monat.
Für SYRIZA liegt die Lösung für die Krise nicht in Kürzungen, sondern in einer Neuformulierung des Europäischen Stabilitätspakts, bei der nicht die Schuldengrenzen, sondern zum Beispiel die Senkung der Arbeitslosigkeit im Vordergrund stehen sollte. Aktivisten von SYRIZA hatten bereits am Dienstag für ein paar Stunden die Büros der EU in Athen symbolisch besetzt.
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