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Geldwäscheskandal in Italien

Mafia, Politiker, Manager und Telekomfirmen sind verstrickt

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.
In Italien haben die Wirtschaftspolizei und die Guardia di Finanza einen der größten Finanz- und Geldwäscheskandale der letzten Jahrzehnte aufgedeckt. Es geht dabei um eine Summe, die bei rund drei Milliarden Euro liegen dürfte.

In eine Affäre rund um Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Betrug sind zwei der größten italienischen Telefonunternehmen, Fastweb und Telecom Italia, aber auch Richter, Polizisten, Unternehmer, Politiker und die organisierte Kriminalität verstrickt. Beträge und Kunstschätze im Wert von Millionen wurden bereits beschlagnahmt. Und die Telecom Italia, der fünftgrößte Telekommunikationskonzern in Europa, musste sogar die Veröffentlichung ihrer Bilanzen verschieben, da man noch nicht weiß, wie groß das Loch ist, das jetzt in die Kassen gerissen wird. Es gab bereits 56 Verhaftungen in mehreren Ländern, aber Polizei und Justiz stehen erst am Anfang ihrer Ermittlungen.

Über die Telecom-Tochter Sparkle und Fastweb, den größten Breitband-Anbieter in Italien, soll von 2003 bis 2006 Geld der kalabrischen Mafia Ndrangheta ins Ausland gebracht worden sein. Hier liefen die fiktiven Geschäfte über mehr als 20 unterschiedliche Firmen, bis das Kapital – jetzt unkenntlich – wieder in den Händen der organisierten Kriminalität landete. Gleichzeitig wurde das internationale Gefälle der Mehrwertsteuer ausgenutzt, um am italienischen Fiskus vorbei Millionenbeträge anzuhäufen, die ebenfalls gewaschen wurden. Dieses Geld wurde dann offensichtlich in Immobilien und Kunstschätze investiert – und es scheint so, als sei gerade dies der »Hauptgeschäftszweig« der Betrüger gewesen.

Drahtzieher der Operation soll der rechtsextreme Unternehmer Gennaro Mokbel gewesen sein. Bei ihm in Rom fand die Polizei zahlreiche Bilder und Skulpturen von hochdotierten modernen Künstlern – aber auch faschistische Devotionalien wie Hitler- und Göbbels-Portraits und Büsten von Mussolini.

Unter den Personen, gegen die Haftbefehl erlassen wurde, ist auch Senator Nicola Di Girolamo von der Berlusconi-Partei Volk der Freiheit. Er soll der Verbindungsmann zur Ndrangheta gewesen sein. Mehr noch: Di Girolamo, der in Belgien und Deutschland von dort ansässigen Italienern in einen so genannten Auslandswahlkreis gewählt wurde, verdankt dies wohl in erster Linie der kalabrischen Mafia. Sie soll einige Wähler massiv unter Druck gesetzt und bei anderen leere Stimmzettel eingesammelt, dann ausgefüllt und schließlich sozusagen gebündelt an das jeweilige Konsulat übergeben haben.

Der Skandal zieht auch in der Schweiz Kreise. Vor drei Jahren verkaufte der Fastweb-Gründer Silvio Scaglia (er sitzt jetzt ebenfalls in Untersuchungshaft) seinen Anteil von über 82 Prozent an das Schweizer Telekomunternehmen Swisscom, das mehrheitlich dem Staat gehört. Schon damals sagten Kritiker, die 4,7 Milliarden Euro, die Swisscom an Scaglia zahlte und ihn so zu einem der reichsten Männer Italiens machte, seien eigentlich überteuert gewesen. In Bern wird nun der Rücktritt des zuständigen Ministers gefordert. Um den Kaufpreis hochzutreiben, hatten die Fastweb-Chefs seinerzeit eine Kapitalerhöhung von 1,8 Milliarden Euro erhalten – offenbar von dubiosen Auslandskonten. Das Geld soll auf den Privatkonten der Beteiligten gelandet sein. Dem italienischen Fiskus entgingen 365 Millionen Euro Gewerbe- und nochmals 98 Millionen Mehrwertsteuereinnahmen.

Bei den ersten Verhören beteuerten alle der inzwischen 56 Verhafteten ihre Unschuld. Telecom Italia und Fastweb erklärten sich zu »Geschädigten«. Fastweb versicherte den über 3500 Angestellten und den Kunden, der Betrieb werde allen seinen Verpflichtungen nachkommen, auch wenn nicht auszuschließen sei, dass das Unternehmen jetzt erst einmal einen vom Staat bestimmten Verwalter an die Spitze gesetzt bekomme.

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