Ärger für Pharmafirmen?

Opposition nennt Pläne von Minister Rösler »Scheingefechte«

  • Lesedauer: 3 Min.
Pläne aus der Bundesregierung zur Begrenzung der Arzneikosten stoßen bei der Opposition auf Skepsis.

Berlin (epd/AFP/ND). Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) erhöht den Druck auf die Pharmaunternehmen. Um niedrigere Medikamentenpreise durchzusetzen, werde er die Firmen zu Vertragsverhandlungen mit den Krankenkassen zwingen, sagte Rösler der »Bild«-Zeitung (Mittwoch). Das solle so schnell wie möglich passieren. »Bis es soweit ist, muss es kurzfristige Kostenbremsen geben. Das sind Zwangsrabatte und Preismoratorien«, so der Minister. »Das Problem ist, dass momentan bei innovativen Arzneimitteln noch gar nicht verhandelt wird.«

Seine Pläne will Rösler in Kürze den Koalitionsfraktionen vorstellen. Spätestens bis Ende des Jahres soll ein entsprechendes Gesetz kommen. Der Gesundheitsexperte der Unionsfraktion, Jens Spahn, lobte das Vorhaben. Die Pharmaunternehmen sollten künftig nachweisen müssen, ob ein neues Medikament eine Verbesserung darstelle und deshalb einen hohen Preis rechtfertige, sagte der CDU-Politiker am Mittwoch im »ZDF«.

Dagegen äußerte sich die SPD-Gesundheitsexpertin Elke Ferner skeptisch. Die Pharmaindustrie habe immer wieder Auswege gefunden, um die Kosten in die Höhe zu treiben, sagte die Sozialdemokratin am Mittwoch im »Deutschlandradio Kultur«. Die erhofften Einsparungen seien nur ein Bruchteil des Problems, denn den Krankenkassen fehlten im kommenden Jahr elf Milliarden Euro, um ihre Ausgaben zu decken.

Martina Bunge, gesundheitspolitische Sprecherin der Linksfraktion, warf Rösler vor, Scheingefechte zu führen. Die Verhandlungsmöglichkeit der Kassen gegenüber den Monopolen der Pharmaindustrie seien sehr begrenzt. Rösler gebe den Pharmakonzernen zudem die Zeit, die sie brauchten, »um ihre Strategie umzustellen und ihre Gewinne gegebenenfalls anders zu erzielen«. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast warf Rösler Etikettenschwindel vor. Seine Ankündigung einer harten Gangart sei ein Ablenkungsmanöver, das die eigene Machtlosigkeit überspielen solle.

Verbraucherschützer begrüßten dagegen das Vorhaben. Würden die Arzneimittelpreise begrenzt, fielen auch die Zusatzbeiträge der Kassen erheblich niedriger aus, erklärte Gerd Billen, Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands. Die Gesetzliche Krankenversicherung müsse in die Lage versetzt werden, auf gleicher Augenhöhe mit der Pharmaindustrie über die Preise von Medikamenten zu verhandeln. Kommentar Seite 4


Zwangsrabatte und Nutzen-Bewertung

Die gesetzlichen Krankenkassen haben im vergangenen Jahr schätzungsweise 30 Milliarden Euro allein für Arzneimittel ausgegeben. Schon jetzt gibt es Regulierungsinstrumente, um die Preise zumindest teilweise zu steuern. Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) plant weitere Maßnahmen. Originalpräparate: Als echte Kostentreiber gelten Medikamente mit einem neu entwickelten Arzneiwirkstoff, für den 20 Jahre lang Patentschutz gewährt wird. Selbst wenn der Zusatznutzen für Patienten nicht belegt ist, müssen die Kassen den von der Industrie diktierten Preis für verschreibungspflichtige Arzneimittel erstatten. Das gilt auch für besonders teure Spezialpräparate ohne Therapiealternativen.Minister Rösler will das Preismonopol der Hersteller brechen und sie zu Preisverhandlungen mit den Kassen zwingen. Im Extremfall droht der Industrie ein festgesetzter Höchstpreis. Kurzfristig sollen »Zwangsrabatte und Preismoratorien« die Kosten bremsen. Rösler erhofft sich davon mindestens zwei Milliarden Euro Einsparungen im Jahr. Festbeträge: Nach Ablauf des Patentschutzes können für Arzneien seit 1989 Festbeträge bestimmt werden, bis zu deren Höhe die Kassen die Kosten erstatten. Mittlerweile sind mehr als 70 Prozent der Arzneimittelverordnungen durch Festbeträge geregelt. Für 2010 werden durch bereits beschlossene Festbeträge Einsparungen von rund 4,6 Milliarden Euro erwartet. Kosten-Nutzen-Bewertung: Patentgeschützte Präparate, die nicht unter die Festbetragsregelung fallen, können beim Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) einer Kosten-Nutzen-Bewertung unterzogen werden. Dessen Urteil führt mitunter dazu, dass ein Arzneimittel nicht mehr von den Kassen bezahlt wird. Der Gesundheitsminister will eine Nutzenbewertung für die Hersteller nun zur Pflicht machen und zwar bevor ein neues Präparat auf den Markt kommt. Rabatte: Jede gesetzliche Kasse kann mit Arzneimittelherstellern Rabatte aushandeln. Laut GKV haben die Kassen durch Rabattverträge 2009 über 500 Millionen Euro gespart. AFP/ND
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