Internationaler bewaffneter Konflikt

  • Normen Paech
  • Lesedauer: 3 Min.
Prof. Dr. Norman Paech war 2005 – 09 außenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag.
Prof. Dr. Norman Paech war 2005 – 09 außenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag.

Im Krieg stirbt bekanntlich die Wahrheit zuerst. Um wie viel schwerer hat sie es, danach wieder aufzuerstehen – wenn es ihr überhaupt gelingt. Gut acht Jahre brauchte die Regierung, um den »Krieg gegen den Terror« auf seinem tödlichsten Kriegsschauplatz in Afghanistan zumindest als »kriegsähnlich« zu bezeichnen. Ein Minister musste darüber ausgewechselt werden. Der »Stabilisierungseinsatz« war angesichts der realen Destabilisierung der Lage am Hindukusch nicht mehr überzeugend. Das Massaker von Kundus trieb jedoch die Diskussion weiter und nun in juristische Gefilde. Dort geht es vor allem um die strafrechtliche Beurteilung der Verantwortlichen, wo der Begriff des Krieges nicht hilft. Dort geht es um den »„bewaffneten Konflikt«“, der für die Beteiligten (Kombattanten) bestimmte Rechte und Pflichten im Völkerrecht begründet. Wer sich hier etwas zu Schulden kommen lässt, beispielsweise Zivilpersonen angreift oder mit seiner Kriegsführung große Leiden und schwere Beeinträchtigungen der Gesundheit verursacht, wird nicht nach dem normalen Strafrecht zur Rechenschaft gezogen, sondern nach dem Völkerstrafrecht. Dieses ist in dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshof von 1998 und dem deutschen Völkerstrafgesetzbuch von 2002 kodifiziert.

Dass es sich in Afghanistan um einen bewaffneten Konflikt handelt, darüber gibt es keine Diskussion. Wohl aber darüber, ob es sich um einen internationalen oder nichtinternationalen Konflikt, also einen Bürgerkrieg handelt. Denn nun hat die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe »nach eingehender juristischer Prüfung des ihr vorliegenden Materials« entschieden, dass die Bundeswehr in Afghanistan an einem »nichtinternationalen Konflikt« beteiligt sei. Die Bundesregierung hat diese Sprachregelung sofort übernommen. Zum Glück hat die Bundesanwaltschaft ihre Äußerung nur als »Zwischenergebnis« bezeichnet und sich damit eine Tür zur ganzen Wahrheit offen gehalten.

Ein Bürgerkrieg ist das Kriegsgeschehen am Hindukusch schon lange nicht mehr. Es hat seit Jahren die Grenze zu Pakistan überschritten, das US-Militär spricht realistischerweise von AfPak, wenn es den Kriegsschauplatz und die regionalen Anforderungen der Kriegsführung umschreibt. Auf der Seite der Taliban und des Widerstands kämpfen nicht nur Afghanen, sondern Pakistaner, Saudis, Tadshiken, Tschetschenen etc. und auf der Seite der afghanischen Regierung stehen immerhin 40 fremde Staaten in der einen oder anderen Form im Einsatz. Genau betrachtet ist dieser Krieg seit Oktober 2001 nie bloß ein Bürgerkrieg, sondern ein internationaler bewaffneter Konflikt gewesen.

Warum die Bundesanwaltschaft noch nicht zu dieser Erkenntnis vorgedrungen ist, ist unklar. Denn an der strafrechtlichen Verantwortung von Oberst Klein ändert sich nichts. Er muss sich in jedem Fall mit dem Vorwurf auseinandersetzen, dass er bei seinem Angriff auf die Tanklastzüge »mit Sicherheit erwartet (hat), dass der Angriff die Tötung oder Verletzung von Zivilpersonen …verursachen wird«. Dies ist ein Kriegsverbrechen, das mit einer »Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft« wird.

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