Was für eine Flasche

Paolo Guerrero trifft am Sonntag nur einmal: mit einem Flaschenwurf ins Gesicht eines Fans

  • Lesedauer: 3 Min.

Ein skandalöser Flaschenwurf von Paolo Guerrero zeigt, wie aufgeladen die Situation beim Hamburger SV nicht erst seit dem 0:0 gegen Abstiegskandidat Hannover 96 ist: Das Verhältnis zwischen Spielern und Fans ist belastet, Trainer Bruno Labbadia geschwächt und die Vereinsführung in der prekären Situation zu drastischem, aber auch besonnenem Handeln gezwungen. Die drohende schwere Strafe gegen den Peruaner durch seinen Verein und den Deutschen Fußball-Bund (DFB) steht noch aus – doch Guerreros Aussetzer nach dem 0:0 am Sonntagabend im Nordduell gegen Hannover 96 ist das deutlichste Sinnbild für die gegenwärtige Krise des HSV.

Mannschaft, Trainer und Vorstand waren nach der Nullnummer mehr als eine halbe Stunde in der Kabine geblieben, um den Eklat zu besprechen. Guerrero war durch den Hinterausgang davongeschlichen. Die erschütternde HSV-Leistung gegen den Tabellenvorletzten hatte die Langmut der Fans bis an die Schmerzgrenze strapaziert. Anschließend hatte Guerrero die Beherrschung verloren. Unter dem Pfeifkonzert der enttäuschten Besucher soll ihn ein Fan von den teureren Plätzen aus beschimpft haben. Der 26-Jährige warf daraufhin seine fast volle Trinkflasche in das Gesicht des Zuschauers und wollte sogar auf die Tribüne klettern, um gegen den Mann die Hand zu erheben. Teamkollege Joris Mathijsen hielt den Stürmer nur mit Mühe zurück und lotste ihn in die Katakomben. Das Opfer der Wurfattacke hat sich von Sanitätern im Stadion untersuchen lassen, schlimmere Verletzungen sollen nicht festgestellt worden sein.

»Das ist völlig inakzeptabel. Es wird entsprechende Konsequenzen geben«, kündigte Vereinschef Bernd Hoffmann an. Guerreros Attacke, in deutschen Stadien bislang beispiellos, machte das lahme Nordderby zu einem Aufreger des Osterwochenendes. Vor dem wichtigen Viertelfinal-Rückspiel in der Europa League am Donnerstag bei Standard Lüttich ist die Stimmung beim HSV aufgeheizt. »Es ist etwas passiert, was nicht passieren darf«, sagt Trainer Labbadia über Guerrero. »Er ist extrem beschimpft worden, aber wir müssen dem standhalten und professioneller reagieren.

Als der frühere HSV-Spieler Thimothee Atouba den eigenen Fans einst den »Stinkefinger« zeigte, wurde er vom Verein für zwei Spiele gesperrt. Guerrero, dessen Vertrag ausläuft, muss nun womöglich sogar mit der Kündigung rechnen.

Erstaunlich waren die Reaktionen, die aus der Mannschaft nach Guerreros Fehlleistung laut wurden. Der eigentlich als moralische Instanz des Teams bekannte Frank Rost meinte, Guerrero habe das nicht grundlos gemacht. »Damit muss man auch als Zuschauer rechnen, wenn man sich so äußert. Das ist Fußball, das gehört dazu.« Der Torhüter zog den tätlichen Angriff gar ins Lächerliche: »Er hat ihn sauber getroffen. Die New York Yankees würden ihn sicher sofort verpflichten.« Waren Mannschaft und Fans noch vor Monaten eine Einheit, so trennt sie jetzt ein breiter Riss. In den vergangenen sieben Spielen gelang den Schützlingen von Bruno Labbadia nur ein Sieg gegen den Tabellenletzten Hertha BSC.

Ursprünglich wollte und sollte das Team um den Titel und die Champions-League-Plätze mitspielen, jetzt gerät auch die Qualifikation für die Europa League in Gefahr. Die Fans werden von Spieltag zu Spieltag unzufriedener – und lauter. ND/dpa

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