Der Kern

Ehrenbürger Barlach

  • Marion Pietrzok
  • Lesedauer: 2 Min.

Güstrow war ihm »weit und eng zugleich, man wird nach innen verwiesen und hat doch Spielraum für Augen und Beine«, schrieb Ernst Barlach. Er mochte die Stadt und die sie umgebende Landschaft. Er konnte hier sein Hauptwerk schaffen. Wie lange war er gewandert, »den Menschen, den Menschen, den Menschen zu finden, das Fleisch echten Menschenkerns hinter der Schale der Gewänder und verlognen Gemüter« (Franz Fühmann). Aber dann, einige Jahre später: »... das Gefühl, in G. überflüssig und nicht hingehörig zu sein, nimmt überhand.« Barlach (1870–1938), »dei den Engel makt hett«, die im Güstrower Dom schwebende Bronzeplastik, erlebt sein »schlimmes Jahr«. Der Engel, der so gar nicht den Soldatentod verherrlichte, sondern ein Mahnmal gegen den Krieg war, wird 1937 fortgebracht, Barlachs Kunstwerke wie das Magdeburger Mal und der »Geistkämpfer« in Kiel gelten jetzt, da die Luft hier nicht mehr frisch ist und nur Kriegsfahnengeknatter erzeugt, als »entartet«.

In einer »der schönsten Städte im Herzen Mecklenburgs erleben Sie bei uns Kultur und Natur in einer besonders liebenswürdigen Verbindung«, wirbt heute die Tourismusagentur Güstrows. Ohne den Beinamen Barlachstadt kein offizielles Schreiben. Zum 100. Geburtstag des bedeutenden deutschen Expressionisten, des großartigen Bildhauers, Grafikers, Dichters, sind mehrere Sonderausstellungen zu sehen, eine Sonderbriefmarke wird verkauft. Der Nachlass, der zum größten Teil hier verbleiben konnte, wird ohnehin gehegt und gepflegt. – Die Stadtvertretung Güstrows hatte gestern zu entscheiden, ob Barlach posthum Ehrenbürger wird. Im Beratungsprogramm stand diese Frage, die im Sinne eines Bekenntnisses zu beantworten längst überfällig ist, zwischen Abwasserregelung und Bebauungsplanung an fast letzter Stelle.

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