Schlechte Hygiene, falsche Medikamente

Institut für Pflegeforschung legte alarmierende Studie über Pflegemängel in Krankenhäusern vor

  • Thomas Klatt
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Pflege ist schlecht. Wie schlecht, belegt jetzt das aktuelle Pflegethermometer des unabhängigen Deutschen Institut für Pflegeforschung in Köln. Über 10 000 Schwestern und Pfleger in deutschen Krankenhäusern wurden befragt. Damit ist die Kölner Studie die größte zusammenhängende Befragung von Pflegekräften in Deutschland überhaupt.

Die Stimmung in der Kardiologie, Urologie, Gynäkologie und all den anderen Stationen der Kliniken im Land ist denkbar schlecht, denn die Arbeit wird immer mehr und das Personal immer weniger. Laut aktueller Studie wurden zwischen 1996 und 2008 etwa 50 000 Pflegekräftestellen in deutschen Krankenhäusern abgebaut. Im gleichen Zeitraum wurden allerdings 20 000 Ärzte eingestellt. »Wir fragen uns nur, wieso man die Pflege als einzige Berufsgruppe von dieser Therapieintensivierung entkoppelt hat«, sagt Michael Isfort vom Deutschen Institut für Pflegeforschung. Einerseits gebe es zwar immer mehr und besser ausgestattete Ärzte und Stationen, aber andererseits hapere es an der Grundversorgung. In deutschen Krankenhäusern wird oft nicht einmal mehr der Minimalstandard »satt und sauber« erreicht.

Eine Frage habe gelautet, wie oft es in den letzten sieben Arbeitstagen vorgekommen sei, dass verwirrte Patienten mit einer Demenz-Erkrankung ausreichend beobachtet werden konnten, erklärt Isfort. Das war nur noch in 6,5 Prozent der Fälle möglich gewesen. »Beobachtungsmängel sind nicht mehr die Seltenheit, sondern die Regel«, erklärt Isfort. Die Beispiele lassen sich mühelos fortsetzen: Nur noch etwas mehr als 11 Prozent der Pflegenden können sich um die Mobilisierung ihrer Patienten kümmern. Bei dauerhafter Überstundenbelastung kommt es verstärkt zu Pannen und Defiziten: Händehygienemängel, Medikationsfehler, Mängel bei der Körper- und Mundpflege, schlechtere Versorgung bei der Nahrungsaufnahme, mangelnde psychosoziale Versorgung. »Da geht es nicht nur darum, dass da keiner mehr zuhört, sondern wir haben einen tatsächlichen Pflegemangel in ganz zentralen Arbeitsbereichen, die durch die Pflegenden nicht mehr stabilisiert werden können«, fasst Isfort zusammen. Zudem wollen heute immer weniger junge Leute noch Krankenschwester oder Pfleger werden. Die Belastung ist zu groß und der Lohn zu gering. Zudem gebe es so gut wie keine Bemühungen, ältere und berufserfahrene Pflegekräfte im Krankenhaus zu halten, obwohl dies dringend notwendig wäre. Immer weniger Schwestern und Pfleger rechnen überhaupt noch damit, in ihrem Beruf das Rentenalter erreichen zu können. Vorstellbar sei das höchstens mit einem verminderten Stundenumfang.

Kaum Wirkung zeigt dagegen das von der ehemaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) aufgelegte Sonderprogramm, 17 000 neue Pflegekräfte einzustellen. Der Pflegearbeitsmarkt ist wie leer gefegt. Man habe Anfang des Jahres gerade einmal 5700 als Arbeit suchend gemeldete Pflegekräfte in Deutschland gezählt, was faktisch Vollbeschäftigung bedeute. »Wir sehen im ambulanten Bereich und in der Altenpflege einen massiven Bedarf, aber keine Ressourcen. Woher sollen die 17 000 Beschäftigten denn kommen?«, fragt Isfort.

Vor diesem Hintergrund könnten die heutigen Schwestern und Pfleger durchaus bessere Bedingungen und Arbeitslöhne für sich fordern. Doch ein Grund für die jetzige Misere liegt wohl auch darin, dass anders als die Ärzte Pflegekräfte in Deutschland schlecht organisiert sind. Sie streiken erheblich seltener und haben in den letzten Jahren kaum Arbeitserleichterungen durchsetzen können. Wenn aber möglichst viele Patienten das Krankenhaus wieder heil und gesund verlassen sollen, ist dringender Handlungsbedarf gegeben.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal