PLATTENBAU

  • André de Vos
  • Lesedauer: 2 Min.

Im Normalfall wird eine Band über die Jahre schwächer und schwächer. Ihren Scheiben fehlt dann der Biss, die Härte, der Pfiff, die Aktualität und auch die politische Analyse. Oft verflacht sie oder endet textlich in Banalitäten. Mit einer Scheibe der Fantastischen Vier erlebt man genau das Gegenteil. Deren neue CD hat ein so hohes Qualitätsniveau, dass man überlegen muss, was andere deutsche Künstler aus dem HipHop- und Rocksektor anstellen wollen, um zu ihnen aufzuschließen.

Da wäre zuerst die Instrumentierung anzuführen, die an Einfallsreichtum und Komplexität schon zappa-eske Züge erreicht. Rhythmische Variationen und Tempiwechsel sind an der Tagesordnung, im Verhältnis zum Vorgängeralbum »Fornika« sind die Arrangements noch opulenter und ausgefeilter. Hier wird jede Form von Experiment verwirklicht, die einem gerade einfällt. Das können Samples sein, die zum Beispiel in »Junge trifft Mädchen« – kreativ eingesetzt – aus Textfetzen neue Sinnzusammenhänge stiften, das kann einmal ein Opernsänger sein, der im Background eingesetzt wird, oder die Begleitband rockt und groovt und kann sich über jede stilistische Begrenzung hinwegsetzen.

Muss man hier für die Musik schon Bestnoten vergeben, so hat man dabei nur die erste Hälfte berücksichtigt. Die Texte, die sich Die Fantastischen Vier im Laufe von zwei Jahren zusammenreimten und -sponnen, haben selbst in ihren angedrehten Momenten noch ein Quäntchen Erkenntnis in sich und immer den Schalk im Nacken. Dabei ist es egal, ob es, wie in »Danke«, schwarzer Humor ist, der die Sicht eines Schwerverletzten in einem Krankenwagen schildert, Selbstironie wie in »Smudo in Zukunft« oder der klinische Fall einer Doppel-Schizophrenie in »Für dich immer noch Fanta Sie, Teil 2«.

Neben Selbstreflexion über den eigenen Zustand (»Gladiatoren«, »Garnichsotoll«), etwas Innerlichkeit (»Mantra«), kräftigem Austeilen gegen Nörgler und Wannabies (»Dann mach' doch mal«, »Schnauze«), werden in »Die Lösung« Überlegungen über den Zustand der Welt angestellt. Das alles findet mit einer solchen Leichtigkeit und Erhabenheit statt, dass das über die Mühen der Ideenfindung hinwegtäuscht und trotzdem beängstigend ist:

Zum einen erhöhen Die Fantastischen Vier beständig ihre eigene Messlatte, die sie bis heute auch noch mit einem Folgealbum überspringen, zum anderen bleiben ausgerechnet ältere Bands wie ebendiese (und Die Ärzte im Rocksektor) im wahrsten Sinne des Wortes tonangebend. Das wirft ein beredtes Zeichen auf die Epigonen zweiten und dritten Grades, die gerade in ihrer Bedeutungslosigkeit Ausdruck des Zeitgeistes oder besser: geistloser Zustände sind.

Die Fantastischen Vier: Für dich immer noch Fanta Sie (Sony)

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