Streit um Asylrecht bahnt sich an

Europäische Kommission bringt Vorschläge zur Vereinheitlichung des Asylrechts ins Gespräch

Nach einem Bericht einer Boulevardzeitung plant die Europäische Kommission, das Asylrecht der EU-Staaten zu vereinheitlichen. Die Bundesregierung kritisiert das Vorhaben – und kündigt Widerstand an.

Nach Informationen der »Bild«-Zeitung will die Europäische Kommission ein einheitliches Asylrecht für die Staaten der Europäischen Union einführen. Die EU-Initiative hat drei wesentliche Punkte, die zu einer Lockerung des geltenden Asylrechts in Deutschland führen sollen.

Zum einen plant die Kommission, die sogenannte Flughafenregelung aufzuheben. Diese sieht vor, dass bei Asylbewerbern, die mit dem Flugzeug in die Bundesrepublik einreisen, das Recht auf Asyl vor Ort überprüft werden kann. Dabei wird den Flüchtlingen untersagt, den Transitbereich des Flughafens zu verlassen.

Weiterhin plant Brüssel die Gleichbehandlung von Flüchtlingen und EU-Bürgern bei den Sozialleistungen. In der Bundesrepublik haben nur anerkannte Flüchtlinge Anspruch auf Sozialleistungen. Und diese sind reduziert: Asylsuchende und Geduldete, die nicht abgeschoben werden können, erhalten im Durchschnitt 30 Prozent weniger als die üblichen Leistungssätze. Laut Asylbewerberleistungsgesetz steht ihnen eine medizinische Versorgung bei »akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen« zu.

Außerdem soll eine weitere Ausnahme zur »Drittstaatenregelung« geschaffen werden. Nach dieser Regelung, die Kern einer Grundgesetzänderung von 1993 ist, werden Flüchtlinge, die aus einem als sicher eingestuften Land nach Deutschland eingereist sind, in dieses zurückgewiesen.

Auch die Dauer der Asylverfahren soll neu geregelt werden. Die EU-Kommission strebe laut Zeitungsbericht verbindliche Fristen von sechs Monaten mit sechs Monaten Verlängerung an.

Die EU verhandelt seit rund elf Jahren über die Harmonisierung des Asylrechts. Bereits im November 2004 hatten sich die Staats- und Regierungschefs auf das Haager Programm geeinigt, das ein EU-Asylsystem mit einheitlichem Prüfverfahren vorsieht. Die seit Anfang des Monats amtierende belgische Ratspräsidentschaft hat ein EU-weites Asylrecht zu einem Schwerpunktthema erklärt. Möglicherweise ist damit der Bericht in der »Bild«-Zeitung zu erklären. Denn neu sind die Vorschläge nicht; sie liegen seit mehr als einem Jahr auf dem Tisch.

Die Bundesregierung hat bereits Widerstand gegen das Vorhaben der Europäischen Kommission angekündigt. Ole Schröder (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, befürchtet längere Asylverfahren, zu hohe Kosten sowie eine »neue Sogwirkung« durch die Umsetzung der EU-Pläne. Die Linkspartei dagegen hält eine Angleichung des Asylrechts innerhalb der EU für »dringend notwendig«. »In Sachen Asylrecht gleicht die EU derzeit einem Flickenteppich«, sagte Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, gestern. Und Karl Kopp, Europareferent der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl, sprach gegenüber ND von einer »minimalen Liberalisierung« des Asylrechts.

Die Bundesregierung werde sich dafür einsetzen, dass »unser bewährtes Asylrecht im Kern nicht angetastet wird«, sagte Staatssekretär Schröder weiter. Alexander Dobrindt, Generalsekretär der CSU, sagte dem »Münchner Merkur« zufolge, das deutsche Recht habe sich gegen Asylmissbrauch bewährt. »Das lassen wir uns von der EU nicht verwässern.«

Am Donnerstag beraten die EU-Innenminister in Brüssel über das Asylrecht.

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