Wieder Herr auf den Äckern
Über die Genehmigung von Agrar-Gentechnik sollen künftig die Länder entscheiden, fordern Umweltschützer
In Zepkow, Kreis Müritz, herrscht schon seit geraumer Zeit kein Frieden mehr. Der Weiler beherbergt Deutschlands einzigen kommerziell mit gentechnisch veränderten Pflanzen bebauten Acker; auf 15 Hektar wird hier »Amflora« angebaut, eine Kartoffel, aus der man besonders gut Leim herstellen kann. Erst vergangene Woche haben sich Unbekannte nachts auf dem Feld zu schaffen gemacht und Teile der Pflanzung zerstört. Und für heute haben sich schon wieder Besucher angekündigt: unter anderem der Umweltverband BUND und die Landesspitze der Grünen. Sie wollen einen großen Ballon aufsteigen lassen, der die Form einer Kartoffel hat und das Gesicht eines Haifisches.
Am Donnerstag forderte die Bürgerinitiative »Müritzregion – gentechnikfrei« Aufklärung über Missbildungen an den Amflora-Genkartoffeln, die sie seit vier Wochen dokumentiert. Die Pflanzen hätten missgebildete, gekräuselte Blätter mit verschieden heller und dunkler Grünfärbung sowie starker Warzenbildung auf den Blättern und der Mutterknolle, teilte die Bürgerinitiative mit.
Dass Landespolitiker wie die CDU-Agrarexpertin Beate Schlupp die heutige Protestaktion schon im Vorfeld verurteilte und in die Nähe der Feldverwüstung rückte, wird die Kritiker der Agrar-Gentechnik dabei nicht verdrießen. In ihrem Lager herrscht seit ein paar Tagen Hochstimmung: Die EU-Kommission hat am Dienstag in Brüssel den Entwurf einer Richtlinie vorgestellt, nach der es künftig den Mitgliedsstaaten vorbehalten sein soll, über den Einsatz gentechnisch veränderter Organismen in der Landwirtschaft zu befinden. Burkhard Roloff, Agrarexperte des BUND in Mecklenburg-Vorpommern sieht nun die Zeit der Entscheidung im langen Kampf um die Agrar-Gentechnik gekommen. Wenn nach der Sommerpause »das Gentechnikgesetz aufgemacht« werde, müsse eine Regionalisierung beschlossen werden: »Diese Entscheidung gehört auf die Ebene der Bundesländer.« Mit der Aktion in Zepkow will der Umweltverband heute auch seine Forderung nach einer entsprechenden Bundesratsinitiative durch das Land Mecklenburg-Vorpommern bekräftigen.
Mecklenburg-Vorpommern gehört neben Sachsen-Anhalt zu den Hochburgen der »grünen« Gentechnik. Neben der kommerziellen Amflora-Pfanzung an der Müritz gibt es im Nordosten derzeit noch etliche Freisetzungsversuche mit gentechnisch veränderten Kartoffeln, einer Sommerweizen- und sogar einen Blumensorte. Der Landesregierung werfen die Gentechnik-Kritiker einen »Schlingerkurs« vor. Die CDU spricht derzeit von einer »differenzierten Haltung«, die notwendig sei. Agrarminister Till Backhaus (SPD) macht einerseits CSU-Bundesagrarministerin Ilse Aigner Vorwürfe, kann sich andererseits aber auch nicht zu einer klaren Position durchringen. Die Linkspartei im Nordosten ist überwiegend skeptisch: Gentechnikfreie Regionen seien zu schützen, sagt ihr Agrarexperte Fritz Tack: »Pollenausbreitungen und Auskreuzungen von gentechnisch veränderten Pflanzen auf die Äcker von gentechnikfrei wirtschaftenden Betrieben muss verhindert werden«, sagt er.
Für die Kontrollen im Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen sind die Länder schon jetzt zuständig, während die deutsche Gentechnik-Politik in Berlin gemacht wird. Die Linkspartei-Bundestagsabgeordnete Kirsten Tackmann kritisiert diese Diskrepanz: »So können die Ministerinnen Aigner und Schavan weiter ihre riskante Pro-Gentechnik-Strategie verfolgen, während sich die Bundesländer um die daraus resultierenden Folgen kümmern und sie bezahlen müssen.« Es sei skandalös, dass der Bund sich für die massiven Saatgutverunreinigungen durch gentechnisch veränderten Mais, die im Frühjahr in neun Bundesländern festgestellt worden waren, nicht zuständig erkläre, so Tackmann.
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