Mit dem Risiko im Kopf
Im US-Football wird zukünftig über Gehirnerschütterungen aufgeklärt
Es gab Zeiten, da haben sie im American Football zum Schutz Helme aus Leder getragen. Das war nicht nur hochmodern, sondern dringend geboten nach dieser Saison von 1905, in der allein in der US-Collegeliga 18 Todesfälle in Folge von Zusammenstößen zu beklagen waren. Inzwischen hat sich viel geändert, auf den Köpfen der Spieler stecken heute Hightechkappen aus robustem Kunststoff und mit Stahlgitter versehen, die passgenau anliegen, dazu Nackenschutz und wahre Kunststoffpanzer, die den Leib umschlingen.
Die Spieler wirken wie Gladiatoren, man soll glauben, sie seien sicher. Auch sie sollen das glauben. So war es bisher jedenfalls. Nun aber hat man in der National Football League, kurz NFL, umgeschwenkt. In einer eigens angestoßenen Kampagne will die Liga die Spieler über Risiken bei Gehirnerschütterungen aufklären. Das Motto lautet: »Lasst uns Hirnverletzungen aus dem Spiel nehmen.«
Bereits 2009 hatten die Ligaverantwortlichen eine Untersuchung in Auftrag gegeben. Dazu wurden 1000 ehemalige Footballspieler befragt. Das Ergebnis war erschreckend: Nach der Umfrage ist das Risiko für ehemalige NFL-Spieler, nach ihrer Karriere an Alzheimer oder Demenz zu erkranken, 19 Mal höher als für die normale US-Bevölkerung. Überraschend kam das nicht, ähnliche Studien gab es bereits. Jahrelang aber hatten die Ligaverantwortlichen das Problem eher stiefmütterlich behandelt, trotz des Bekanntwerdens prominenter Fälle wie dem von Ted Johnson. Der Defensivspieler, ein Pfundskerl von 125 Kilogramm verteilt auf 1,95 Meter Körpergröße, der mit den New England Patriots drei Mal die Superbowl gewann und 2004 zurücktrat, hat in seiner zehnjährigen Profilaufbahn fast 50 Gehirnerschütterungen erlitten. Er ist gerade 37 Jahre und leidet heute unter Depressionen und zeigt Anzeichen von Alzheimer. 2007 hat er seine Geschichte publikumswirksam der New York Times mitgeteilt, schon da konnte die NFL, in der gut 1600 Profis in 32 Klubs um Touchdowns kämpfen, nicht mehr wegsehen.
Nun der Radikalschwenk. Das neue Zauberwort heißt Risikominimierung, dazu gibt es ab der neuen Saison Plakate in den Umkleidekabinen, auf denen die »Gehirnerschütterung« erklärt wird sowie ihre Symptome abgedruckt sind. Zusätzlich werden Broschüren für die Spieler gedruckt. Das soll sensibilisieren. Es geht um die »Schulung der Athleten«, sagt Dr. Thom Mayer, der Medizinische Direktor der Liga. Darüber hinaus geht es sicherlich auch ums Image, und um das reine Gewissen. »Das Poster ist schockierend«, sagte Domonique Foxworth, ein Defensivspieler der Baltimore Ravens, der New York Times. »Es gibt den Spielern die Fakten zu den Risiken, auch wenn es keine neue Enthüllung ist.«
Auch die Verantwortlichen der GFL, der German Football League, kennen die Problematik mit den Kopfverletzungen. GFL-Sprecher Carsten Dalkowski, der von 1991 bis 2001 in der 2. Bundesliga selbst American Football spielte, sagt, man werde diese Thematik sicher aufgreifen. Er könnte sich spezielle Trainerschulungen vorstellen, oder auch, dass Helme besser kontrolliert werden, um Verletzungen vorzubeugen. »Die Materialfrage ist wichtig, schließlich ist Football eine Kollisionssportart«, so Dalkowski.
Roman Motzkus, der Sprecher der Berlin Adler, der ebenfalls früher als Spieler aktiv war, meint: »Bei uns in Europa ist die Geschwindigkeit und die Masse geringer als in den USA. Das mindert das Risiko etwas.«
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