Gysi will mit SPD und Grünen über Rentenkonzept reden

»Experten« pochen weiter auf Eintrittsalter von 70 Jahren

  • Lesedauer: 3 Min.
Über die 2007 von der Großen Koalition aus Union und SPD beschlossene Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre wird weiter heftig gestritten.

Berlin (dpa/ND). Im Streit um die Rente mit 67 hat die Linkspartei SPD und Grüne zur Zusammenarbeit aufgefordert. »Wir sollten anfangen, über diese Dinge gemeinsam nachzudenken«, sagte LINKE-Fraktionschef Gregor Gysi am Donnerstag der »Saarbrücker Zeitung«. Es gehe darum, Alternativen zur herrschenden Politik zu finden. Die von der SPD vorgeschlagene Aussetzung der Rente mit 67 sei zwar richtig, »reicht aber nicht aus«. Die Rente mit 67 sei grundsätzlich falsch, weil sie für alle Arbeitnehmer eine Rentenkürzung bedeute.

Gysi erhielt von Grünen-Chef Cem Özdemir umgehend eine Absage. »Herr Gysi erweckt beim Thema Rente mit 67 den Eindruck, als wenn wir uns da grundsätzlich einig wären. Dem ist aber nicht so«, sagte Özdemir der »Rheinischen Post«. Gysi wolle die Rente mit 67 abschaffen, die Grünen dagegen sozial gerechte Bedingungen für dieses Modell schaffen. Gehe es nach den Linken, würden der Beitrag zur Rentenversicherung steigen und jüngere Menschen stärker belastet. »Das halte ich für unverantwortbar«, sagte Özdemir.

Die SPD-Spitze hatte sich bislang nur dafür ausgesprochen, die geplante Anhebung des Rentenalters vorübergehend auszusetzen. Grundsätzlich befürworten die Sozialdemokraten aber die schrittweise Erhöhung der Rentenaltersgrenze.

Die IG Metall forderte von der SPD, sich endgültig von der Rente mit 67 zu verabschieden. Gewerkschaftsvorstand Hans-Jürgen Urban sagte: »Wir brauchen keine Scheinlösungen, sondern ohne Wenn und Aber ein Nein zur Rente mit 67.«

Der DGB kritisierte die Rente mit 67 als »fatale Fehlentscheidung« und forderte von der Bundesregierung eine ehrliche Bestandsaufnahme zur Beschäftigung älterer Menschen. Nur jeder Zehnte schaffe es, aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erst mit 65 in Rente zu gehen, sagte DGB-Vorstand Annelie Buntenbach.

Unterdessen meldeten sich weitere Wirtschaftsforscher zu Wort, die eine gesetzliche Rente erst ab 70 Jahren für sinnvoll halten. Der Rentenexperte Alfred Boss vom Kieler Institut für Weltwirtschaft sagte der »Bild«-Zeitung: »Wenn der Beitragssatz annähernd auf dem aktuellen Niveau gehalten werden soll, führt kein Weg an einer Anhebung des Renteneintrittsalters langfristig bis auf 70 Jahre vorbei.« Derzeit beträgt der Beitragssatz 19,9 Prozent. Auch Klaus Zimmermann, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, warnte: Wenn die Rentenbeiträge nicht steigen und die Renten nicht gekürzt werden sollten, müssten die Menschen mindestens bis 70 arbeiten. »Ansonsten kann der Staat nur noch eine kleine Standardrente finanzieren.«


Das gesetzliche Rentenalter soll ab 2012 schrittweise angehoben werden, zunächst um einen Monat und ab 2024 um zwei Monate pro Jahr. Das bedeutet: Wer 1947 geboren ist, muss einen Monat länger arbeiten, um abschlagsfrei in Rente zu gehen. Mit jedem weiteren Jahr verschiebt sich das Rentenalter weiter nach hinten. Wer 1958 geboren ist, kann erst mit 66 Jahren ohne Abschläge in Rente gehen. Für alle, die ab 1994 geboren wurden, gilt dann die Rente mit 67. Wer mindestens 45 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt hat, kann auch künftig bei vollen Bezügen mit 65 Jahren aufhören zu arbeiten. Ausnahmen von der Anhebung des Renteneintrittsalters gelten unter anderem für Schwerbehinderte und bei verminderter Erwerbsfähigkeit.

Es ist auch weiter möglich, mit frühestens 63 Jahren in Rente zu gehen. Diejenigen müssen dann aber einen lebenslangen Rentenabschlag von 14,4 Prozent hinnehmen. Bislang fällt dieser Abschlag mit 7,2 Prozent nur halb so hoch aus. AFP

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal