Jamaika-Regierungskoalition wirbt für Schulreform

Saarland: SPD und LINKE gehen Pläne nicht weit genug

  • Oliver Hilt, Saarbrücken
  • Lesedauer: 3 Min.
Will die saarländische Regierung aus CDU, FDP und Grünen ihre Pläne zur Schulreform umsetzen, muss sie die Landesverfassung ändern – und ist dafür auf SPD und LINKE angewiesen.

Mit einer Regierungserklärung hat die saarländische Jamaika-Regierung einen breit angelegten Dialog für ihre geplante Schulreform gestartet. Für die Grünen und ihren Bildungsminister Klaus Kessler ist es ein zentrales Projekt, mit dem sie ihre Regierungsbeteiligung begründeten. Während die Parteispitzen der Regierungspartner öffentlich zum Koalitionsvertrag stehen, regt sich an der Basis sowohl bei CDU als auch FDP hörbarer Widerstand. Für SPD und LINKE sind die Pläne halbherzig und eher ein fauler Kompromiss.

Umstritten ist vor allem das geplante fünfte Grundschuljahr und die Einführung einer Gemeinschaftsschule. Für beides ist eine Verfassungsänderung notwendig, die Regierung folglich auf Zustimmung aus der Opposition angewiesen. Das Saarland ist das einzige Bundesland, in dem die Schulformen in der Verfassung festgeschrieben sind. Kessler wollte seine Regierungserklärung folglich als »faires« Gesprächsangebot an SPD und LINKE verstanden wissen. Aber auch als Auftakt zu einem breiten Dialog mit der Bevölkerung, den er »orientiert an Sachinformation ohne ideologische Vorbehalte« führen will.

Er weiß nicht erst seit dem Hamburger Volksentscheid, dass eine Schulreform nur erfolgreich sein kann, wenn sie von einem »Großteil der Bevölkerung mitgetragen« wird.

Kessler verteidigte das fünfte Grundschuljahr als Schritt zu einem behutsameren Übergang in weiterführende Schulen und »größeres Zeitfenster« für längere individuelle Förderung. Dass das Saarland damit das einzige Bundesland mit einer fünfjährigen Grundschule wäre, ist aus seiner Sicht »kein besonderes Problem«. Bei jedem Wechsel zwischen Bundesländern stoße man auf jeweils unterschiedliche Schulsysteme, »dem Föderalismus geschuldet«. Mit der Gemeinschaftsschule als zweite Säule neben dem Gymnasium bekomme das Land sogar »eines der modernsten Schulsysteme«.

Die Bildungsexpertin der LINKEN, Barbara Spaniol, sieht den grünen Minister in der Zwickmühle. »Sie haben oftmals richtige politische Ideen, sitzen aber in der falschen Koalition«, antwortet sie Kesslers Regierungserklärung. So sieht die LINKE in der Gemeinschaftsschule zwar grundsätzlich ein »zukunftsfähiges Modell«. Aber bei den Planungen der Saar-Regierung warnte sie vor »Schulen erster und zweiter Klasse«. Es sei nicht garantiert, dass es an jeder der geplanten Gemeinschaftsschulen auch eine Oberstufe gebe, die das Abitur nach neun Jahren (Gymnasien nach acht Jahren) ermögliche.

Zugleich warnte Spaniol vor einem »Sonderweg« bei der Einführung eines fünften Grundschuljahres. Der Landesregierung hielt sie vor, sie könne in Verbänden und Expertenkreisen »niemanden finden«, der »lediglich ein Jahr längeres Lernen« befürworte. In der Debatte um eine Verfassungsänderung forderte sie, »vernünftigerweise Schulformen aus der Verfassung zu streichen«. Das Festhalten am Verfassungsrang einzelner Schulformen führe in eine »bildungspolitische Sackgasse«.

Ähnlich wie die LINKE erteilte auch die SPD möglichen weiteren Schulschließungen etwa aufgrund zurückgehender Schülerzahlen eine klare Absage. SPD-Bildungsexperte Ulrich Commercon forderte, Qualitätsverbesserungen müssten Vorrang vor Strukturdebatten haben. Er forderte insbesondere einen Ausbau von Ganztagsangeboten, wobei statt mehr Betreuung ganztägiges Lernen im Mittelpunkt stehen müssten. Zudem sollten Klassengrößen durch die gesetzliche Festschreibung des Klassenteilers garantiert werden, nach dem Motto: »kleine Kinder – kleine Klassen«.

CDU-Fraktionschef Klaus Meiser nannte als zentrale Ziele in der Schuldebatte »Wahlfreiheit, Schulfrieden und breite gesellschaftliche Akzeptanz«. Seine Partei werde den angekündigten öffentlichen Dialog mit »klarer Meinung, aber ergebnisoffen« bestreiten. Anschließend werde man »zu analysieren haben, gibt es eine breite gesellschaftliche Akzeptanz«.

Ein Volksbegehren wie in Hamburg wird es im Saarland jedenfalls nicht geben. Dazu wäre aufgrund der bestehenden Vorschriften eine Gesetzesänderung erforderlich. Die will Jamaika aber erst später in der Legislaturperiode in Angriff nehmen. Die Grundsatzentscheidungen über die Schulreformen sollen jedoch bis Jahresende getroffen sein.

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