Image ist alles
In der Berliner Wohlstandsinsel im Südwesten der Stadt gibt es eine Schule, die bundesweit für Schlagzeilen sorgte. Landes- und Bundesminister waren schon vor Ort, um das Ganztagsschulkonzept der Einrichtung zu bewundern. Doch mit dem ganztägigen Unterricht wird bald Schluss sein. Der Rektor der Schule hat dafür eine plausible Erklärung. Zwar habe es vom Bund Geld für neue Räume gegeben, doch habe das Land Berlin nicht die notwendigen Personalstellen finanziert. Die knappen staatlichen Mittel fließen in Berlin hauptsächlich in die Schulen in sozialen Brennpunkten, z.B. für den Ausbau der Hausaufgabenhilfe. In der Kronach-Grundschule hilft dagegen eine Erzieherin 28 Kindern bei den Hausaufgaben. Das, so der Schulleiter, könnten die wohlsituierten und gebildeten Eltern der Schüler zu Hause besser. Weder Lehrer noch Eltern seien prinzipiell gegen die Ganztagsschule, versichert er, im Gegenteil, doch wenn die Politik schon die knappen Gelder zielgerichtet einsetzen muss, dann solle sie das Geld denen geben, die es nötiger hätten als die Zöglinge von Ärzten und Rechtsanwälten.
Das ist aber nicht die Logik der Politik. Die Kronach-Grundschule musste hart dafür kämpfen, aus dem Ganztagsschulprojekt aussteigen zu dürfen, schließlich bescherte sie den verantwortlichen Politikern positive Schlagzeilen in den Medien.
Um Imagepflege geht es letztlich auch der Politik bei der geplanten Bildungs-Chip-Karte für Kinder aus Hartz-IV-Familien. Bedürftige sollen mit dieser Karte Leistungen wie Nachhilfe, Musik- und Sportkurse buchen können. Was zunächst gut klingt – der Staat stellt ärmeren Kindern kostenlose Bildungsangebote zur Verfügung – erweist sich bei näherer Betrachtung als ein geschickter Trick zur weiteren Senkung der Bildungsausgaben. Statt dem kostenlosen Mittagstisch in der Schule für alle Schüler gibt es künftig den individuellen Zuschuss zum Mittagessen – selbstverständlich nur dann, wenn dieser auch »gebucht« wird.
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