An der Grenze zum Rufmord

Angriff auf 17-jährigen Juden in Laucha: Täter verteidigt sich mit Vorwurf gegen Opfer

  • Hendrik Lasch, Naumburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein bekannter Rechter schlug und beleidigte im April in Laucha einen jüdischen Jungen. Dafür wurde er nun verurteilt – trotz einer Verteidigungsstrategie, die an Rufmord grenzte.

Erfindet ein angetrunkener Schläger neue Begriffe? Als »Drogenschwein« will Alexander P. sein Opfer bezeichnet haben, während er an einem Freitagabend im April an einer Bushaltestelle in Laucha auf ihn einschlug: zuerst mit der Faust ins Gesicht, dann, nachdem er ihn zu Boden geworfen und eingekeilt hatte, auf Rücken und Hinterkopf. »Drogenschwein« – eine unschöne, vor allem aber ungebräuchliche Beleidigung. Ein Wort, das viele Beobachter im Prozess gegen P. noch nie gehört haben.

Lahav S., der an jenem 16. April auf dem Heimweg vom Gymnasium verprügelt wurde, hat eine andere Beleidigung wahrgenommen. Als »Judenschwein« sei er von dem Rechten beschimpft worden, sagte er schon dem Autofahrer, der angesichts der Attacke spontan anhielt, den Schläger zu dessen Verblüffung zum Ablassen aufforderte und das Opfer kurzerhand ins Auto einsteigen ließ. Wohl nur dieses couragierte Eingreifen bewahrte den 17-jährigen S. vor ärgeren Verletzungen als Blutergüssen und Schürfwunden.

»Judenschwein« ist eine Beleidigung, die eine »besonders menschenverachtende Einstellung« offenbart, sagte die Staatsanwältin im Prozess gegen P. gestern am Amtsgericht Naumburg. Sie ist es noch mehr, wenn sie einen jungen Mann trifft, dessen einer Großvater als Kind nur mit Glück der Deportation in ein NS-Vernichtungslager entging und dessen anderer Opa bei der missglückten Befreiung der israelischen Olympia-Geiseln 1972 in München starb.

Der Angeklagte freilich gestand zwar den Übergriff. Dafür entschuldigte er sich ebenso wie für die Diffamierung seines Opfers als »Schwein«. Dessen Religion aber habe die nicht gegolten, sagte Verteidiger Thomas Jauch, ein Szeneanwalt, der oft Rechtsextreme vertrat, so im Verfahren um die Verbrennung eines Anne-Frank-Tagebuchs in Pretzien. Vielmehr bezog sich auch Jauch auf Gerüchte, wonach S. mit Rauschgift gehandelt haben soll. Weil er auch der Cousine des Täters Drogen angeboten habe, sei dieser ausgerastet.

Von »selbstentlastenden Darstellungen« spricht angesichts der auch von einer Zeugin kolportierten Gerüchte die Staatsanwältin. Eine »Rufmordkampagne« sieht Stefan Scharmer, der Lahav S. und dessen Mutter als Nebenkläger vertritt. Auch Prozessbeobachter sehen einen fadenscheinigen Versuch, dem Fall die politische Dimension zu nehmen – einem Fall, der bundesweit Aufsehen erregte. Auslöser dafür war die Familiengeschichte des Opfers; verstärkt wurde es, weil P. im gleichen Verein Fußball spielte, in dem auch der NPD-Kreisrat Lutz Battke als Nachwuchstrainer arbeitete, bis er den Posten unlängst verlor.

Im Gericht verfing der Entlastungsversuch nicht; P. wurde zu acht Monaten Haft verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurden. Zudem muss er 360 Euro an die Stiftung Gedenkstätte Buchenwald zahlen. Dem Vorschlag hatte sogar Jauch zugestimmt – allerdings mit einer bezeichnenden Begründung: In Buchenwald werde nicht nur an Verbrechen der NS-Zeit erinnert, sondern auch an »Versagen und Gewaltanwendung nach dem Zweiten Weltkrieg«.

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