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Ein Energiekonzept für die Konzerne

Die Koalition provoziert mit der Verlängerung der Atomlaufzeiten massive Kritik / Das Neun-Punkte-Programm der Koalition setzt nur auf dem Papier auf die Erneuerbaren

Die vier großen Energiekonzerne werden sich wohl die Hände reiben. Der gemeinsame Entwurf eines »Energiekonzepts« von Bundeswirtschafts- und -umweltministerium dürfte ganz ihren Erwartungen entsprechen.

»Neun Punkte für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung« betitelt die Bundesregierung ihr nach heftigem und langem Tauziehen beschlossenes Konzept. Auf 39 Seiten beschreiben die ministerialen Autoren grobe Leitzüge der künftigen Energiepolitik in verschiedenen Bereichen von erneuerbaren bis fossilen Quellen, von Energieeffizienz bis Verkehr. Schwarz-Gelb bekennt sich zu einer »ideologiefreien, technologieoffenen und marktorientierten Energiepolitik«.

Beim kontinuierlichen Ausbau der Erneuerbaren, zu dem sich Schwarz-Gelb auf dem Papier bekennt, bleibt das Konzept entweder vage oder es beschreibt Wünsche, ohne zu erklären, wie diese realisiert werden sollen. Bis 2020 soll ihr Anteil am Bruttoendenergieverbrauch auf 18 Prozent steigen. Beim Bruttostromverbrauch soll der Anteil der Erneuerbaren dann 35 Prozent betragen. Besonders ambitioniert ist dies freilich nicht. Die Bundesregierung selbst ging zuletzt von einem Anteil von 38,6 Prozent in 2020 aus. Fördern will Schwarz-Gelb in diesem Bereich vor allem den Ausbau von Offshore-Windparks. So wird laut dem Energiekonzept 2011 ein Sonderprogramm der staatlichen Förderbank KfW im Umfang von fünf Milliarden Euro aufgelegt. Davon profitieren würden die großen Energiekonzerne, die wegen der hohen Investitionskosten bei Anlagen auf hoher See weitgehend unter sich sind.

Den mit Abstand größten Batzen verteilt die Koalition natürlich an die Atomkonzerne – durch die Verlängerung der AKW-Laufzeiten um durchschnittlich zwölf Jahre. Wie sich die Regierung die versprochene Abschöpfung der Zusatzgewinne vorstellt, bleibt in dem Konzept offen. Dem Vernehmen nach soll die Brennelementesteuer zwar kommen, aber nun auf nur sechs Jahre begrenzt werden; jährlich soll dies 2,3 Milliarden Euro in die öffentlichen Kassen spülen. Die Konzerne dürfen die Zahlungen steuerlich geltend machen. Der Sonderbeitrag der Atomkonzerne zum Ausbau von Ökostrom soll insgesamt lediglich 15 Milliarden Euro betragen. Die Rede ist von jeweils 300 Millionen Euro in den Jahren 2011 und 2012 sowie von 200 Millionen zwischen 2013 und 2016. Summa summarum würde nach Berechnungen des Öko-Instituts gerademal ein Viertel der Zusatzgewinne der Atomkonzerne in Höhe von 127 Milliarden Euro vom Staat abgeschöpft werden.

Völlig außen vor bleiben im Neun-Punkte-Programm die von Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) geforderten AKW-Nachrüstungen gegen Flugzeugabstürze, die alte Meiler unrentabel machen könnten. Auch die Frage, ob der Bundesrat über die Laufzeitverlängerung mitentscheidet, wird nicht erwähnt. Die Bundesregierung möchte dies wegen der ungünstigen Mehrheiten in der Länderkammer vermeiden, was allerdings als juristisch fragwürdig gilt.

Übrigens ist die Kernkraft für die Koalition nicht die einzige fossile Brückentechnologie, die den Ausbau der Erneuerbaren massiv behindern würde. Der Neubau von Kohlekraftwerken – mit oder ohne Kohlendioxidspeicherung – wird gewünscht, wobei entsprechende Alt-Kapazitäten stillgelegt werden sollen.

Geradezu jämmerlich fällt übrigens die Förderung des Energiesparens aus, dem für die Erreichung von Klimaschutzzielen vielleicht wichtigsten Bereich. Geplant ist ein Effizienzfonds in Höhe von jährlich 500 Millionen Euro, die vor allem den Unternehmen zugute kommen sollen.


Geplante neue AKW-Laufzeiten

Die Bundesregierung möchte die Laufzeiten der vor 1980 gebauten Atommeiler um 8 Jahre und die Laufzeiten neuerer AKW um 14 Jahre verlängern. Laut dem rot-grünen Atomausstieg müssten alle Meiler schrittweise bis 2022 abgeschaltet werden – durch Stillstand und gedrosselte Produktion gäbe es aber schon jetzt rein rechnerisch Laufzeiten bis 2025. Die schwarz-gelben Pläne könnten folgende neue Laufzeiten für die noch 17 Atomkraftwerke nach sich ziehen. Im Einzelfall dürften sie sich aber um einige Jahre nach hinten verschieben, je nach Drosselung, Stillstand oder Reststrommengen-Übertragung von bereits stillgelegten AKW.

AKW - Betreiber - Laufzeit

Neckarwestheim I (Baden-Württemberg) EnBW 1976-2018

Neckarwestheim II EnBW 1989-2036

Philippsburg I (Baden-Württemberg) EnBW 1979-2020

Philippsburg II EnBW 1984-2032

Isar I (Bayern) E.on 1977-2019

Isar II E.on 1988-2034

Grafenrheinfeld (Bayern) E.on 1981-2028

Gundremmingen B (Bayern) RWE/E.on 1984-2030

Gundremmingen C RWE/E.on 1984-2030

Biblis A (Hessen) RWE 1974-2018

Biblis B RWE 1976-2018

Unterweser (Niedersachsen) E.on 1978-2020

Grohnde (Niedersachsen) E.on 1984-2032

Emsland (Niedersachsen) RWE/E.on 1988-2034

Brunsbüttel (Schleswig-Holstein) Vattenfall/E.on 1976-2020

Krümmel (Schleswig-Holstein) Vattenfall/E.on 1983-2033

Brokdorf (Schleswig-Holstein) E.on/Vattenfall 1986-2033

Quelle: Bundesumweltministerium, dpa

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