PLATTENBAU

  • Lesedauer: 2 Min.

Nina Hagen scheint nach weidlich ausgelebter Esoterikmacke und Ufo-Spinnereien nun schlussendlich zu Jesus gefunden zu haben – zu ihrem persönlichen, wie der Albumtitel verrät: »Personal Jesus«. Allzu viel theoretisches Wissen um die christliche Morallehre unterstellt man der schon als „Godmother of Punk“ betitelten Musikerin wohl besser nicht, auch wenn sie sich im letzten Jahr evangelisch hat taufen lassen. Auf ihrer Platte jedenfalls ist in kaum einem Song nicht von »The Lord« die Rede, ein Album mit uramerikanischer Musik: Gospelsongs, Country-Shuffles, Rhythm & Blues, Bluesrock. Ausschließlich Coverversionen, abgesehen vom titelgebenden Depeche-Mode-Klassiker allesamt dem Americana-Repertoire zugehörig, von Woody Guthries »All You Fascists Bound To Lose« bis hin zu Traditionals.

Die Band, die das einspielen durfte, ist vorzüglich zusammengesetzt. Nina Hagens Stimme passt gut ins anspruchsvolle Konzept, nicht nur in ihrem Umfang, sondern auch in ihrer Ausdrucksvielfalt zwischen Knarzen, Röhren und Hauchen. So gesehen eine gute Platte.

Man fragt sich bloß – warum von Nina Hagen? Haben andere das nicht schon besser gemacht? Ganz zu schweigen von einigen Originalversionen. Ist es wirklich ihr durchgeknalltes Sendungsbewusstsein oder schlicht der Mangel an eigenen Ideen, der den Ausschlag zu solch einer Produktion gab?

Diese Platte ist durchaus etwas für jemanden, der die gute alte Americana-Musik in einem sauber produzierten Gewand hören mag, ohne gleich danach süchtig zu werden – und den die Marotten und Ticks von Nina Hagen kalt lassen. Wer den Talkshow-Promi, das Medienprodukt nicht mitdenkt, wen diese verrückte Tante nicht aufregt, der kann beim Hören bestens abwaschen und dabei mit dem Hintern wackeln. Wer die Vorbilder kennt, gar ein ausgewiesener Liebhaber authentischer »Praise The Lord«-Arien ist, der kann dagegen nur enttäuscht werden, hat das aber auch schon vorher gewusst. Und wer ersteres nicht will, aber unter Umständen zweiteres werden möchte, der wühlt sich am besten mal durch die zahlreichen Vorbilder, bei denen Hagen sich zwecks Abkupferns bedient hat. Sebastian Blottner

Nina Hagen: Personal Jesus (Koch/ Universal Music)

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