Übertönte Tragik

Das Konzerthausorchester Berlin spielte Mahler und Berg

  • Liesel Markowski
  • Lesedauer: 3 Min.

Musik mit Mahler« heißt ein gewichtiger Programm-Schwerpunkt der neuen Saison im Berliner Konzerthaus. Damit wird der bedeutende österreichische Komponist zu seinem 100. Todestag (2010) und 150. Geburtstag (2011) auf inspirierende Weise geehrt. Nicht nur Gustav Mahlers eigene Werke werden gespielt, sie werden vielmehr in Bezug auf ihre Traditionen und Wirkungen auf Zukünftiges nahegebracht. Ein interessantes Vorhaben in drei Abschnitten, das den Blick vor allem zur Moderne im 20. Jahrhundert öffnet.

Im ersten Teil mit dem Titel »Wo die schönen Trompeten blasen«, auf Mahlers »Wunderhorn«-Lieder orientiert, war am jüngsten Konzertabend neben der 7. Sinfonie des Jubilars Musik von Alban Berg, bedeutender Schüler von Arnold Schönberg, zu hören. Nämlich »Drei Bruchstücke für Gesang mit Orchester aus der Oper Wozzeck«, deren Uraufführung vor einer Premiere des Bühnenwerkes nach Georg Büchner 1924 mit großem Erfolg in Berlin stattfand.

Beklagt wird das Schicksal der armen, um ihr Glück betrogenen Dienstmädchen und der Soldaten, die herrschender egoistischer Macht ausgeliefert sind. Die »Bruchstücke« geben gleichsam ein klingendes Psychogramm der Oper: Musik, die sich wie die Dichtung Anteil nehmend den Opfern zuwendet. Unter Leitung von Lothar Zagrosek hat sie das Konzerthausorchester mit gestischer Feinheit und klanglicher Transparenz präsentiert. Die Sopranistin Christiane Iven gab der unglücklichen Marie mit schöner Stimme ausdrucksvolles Profil. So war die einleitende Trauer wie der Einbruch eines grotesken Marsches à la Mahler mit dem rührenden Kinderlied Maries im ersten, war ihr mädchenhafter Schuld-Monolog im zweiten Teil wie der tragische Kindergesang am Schluss von eindrucksvoller Ausstrahlung geprägt. Intensiv waren ebenso Instrumentalsätze wie vor allem das Zwischenspiel (3. Teil), das in erweiterter Tonalität appellartig des Komponisten Bekenntnis zum Menschen dem Zuhörer präsentiert. Nähe zu Mahler wurde spürbar.

Dann erklang Mahler selbst mit seiner 7. Sinfonie von 1904/05. Dass er dieses Werk eins seiner heitersten genannt haben soll, kann man kaum nach vollziehen. Es ist ein monumentales sinfonisches Drama von 80 Minuten Dauer, schwierig zu spielen und auch anstrengend fürs Publikum, konzentriert zu bleiben. Zagrosek und seine Musiker boten das Werk mit gewaltigem Klangaufwand der vorgeschriebenen Riesenbesetzung, die neben umfangreichem Holz, Blech und Schlagwerk außer Streichern auch Mandoline und Gitarre vorsieht. Ein orchestrales Großerlebnis in überwältigender Energie und voll Farbreichtum.

Fünf Sätze in ungewöhnlicher Dramaturgie bilden das sinfonische Ganze. Von der düster verhaltenen Trauermarsch-Einleitung geht es im Anfangssatz zur unbändigen Allegrokraft marschartiger Rhythmen, zu bizarren Aufbrüchen und grotesker Opulenz. Die Mittelsätze bilden Gegenparts: zwei Nachtmusiken, mit Naturlauten, Marschlied und Herdenglocken das erste, als anmutig zarte Serenade das zweite. Dazwischen ein »schattenhaft« genanntes Scherzo, gespenstisch walzerartig, auch lärmend oder sentimental, gewissermaßen ein dunkles Zentrum des Zyklus.

Leider gerieten dem Dirigenten diese Mittelsätze, besonders das Scherzo, zu sehr ins dauernde Forte, sodass Feinheiten ihres Charakters verloren gingen. Während das Rondo-Finale mit Pauken, Blechglanz und massivem Glockengeläut eindrucksvoll zur strahlenden C-Dur-Apotheose vordrang. War eine Lösung des aufgebauten Konflikts darin erkennbar? Eher ein Übertönen der Tragik des Werkes, das unserer unheilvoll bedrohten Welt nahekommt. Mahler für Heute jedenfalls.

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