Aufbau durch Abbau

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 2 Min.

Alle Jahre wieder: Das Bundeskabinett bestätigte gestern den Jahresbericht zur Deutschen Einheit. Bundesinnenminister Thomas de Maizière nahm dies zum Anlass, die Vereinigung als Erfolgsgeschichte zu bejubeln. Der Ressortleiter lobte den Ausbau der Verkehrswege sowie die Schaffung von Schulen und Wohnungen. Irgendwie symptomatisch, diese Sichtweise. Der Westdeutsche sieht die neuen Autobahnen und sanierten Häuserfassaden und meint, alles sei in Ordnung. Viel Neues im Osten, also muss die Einheit geglückt sein.

Zwar sind die Fassaden der Häuser wirklich gemacht und die Straßen frisch asphaltiert. Jedoch fehlt es dieser Kulisse an jungen Menschen, die sie mit Leben erfüllen könnten. Denn die Jungen sind auf und davon. Schwerin, Gera oder Schwedt: Viele ostdeutsche Städte vergreisen. Nur wer genauer hinsieht, wird erkennen, dass im Osten nach dem Prinzip »Aufbau durch Abbau« verfahren wurde. Und so stehen den neuen Schulen Hunderte Bildungsstätten gegenüber, die wegen Schülermangels dichtgemacht wurden. Auch für den Wohnungsbau gilt: Der Aufbau Ost war vor allem ein Abbau Ost. Hunderttausende Wohnungen wurden abgerissen, weil sie nach der Wende verwaist waren. »Stadtumbau Ost« nannte sich das wohl größte Abrissprogramm aller Zeiten. Aber so genau will es der Minister gar nicht wissen, sonst würde sich der eine oder andere nachdenkliche Satz in seiner Würdigung der Einheit finden.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal