Ökologischer Fußabdruck in Übergröße

WWF stellte »Living Planet Report« vor / Grassierender Artenschwund in den Tropen

  • Steffen Schmidt
  • Lesedauer: 3 Min.
Alle zwei Jahre legt die Umweltstiftung WWF ihren »Living Planet Report« vor. Die am Mittwoch in Berlin vorgestellte Ausgabe bescheinigt der Erde einen ziemlich alarmierenden Gesundheitszustand.

Wir leben über unsere Verhältnisse, lautet die keineswegs neue Botschaft des »Living Planet Reports 2010«. Und damit ist zur Abwechslung mal nicht die Staatsverschuldung gemeint, sondern die Übernutzung der Natur. Neu an der Aussage des Reports ist allenfalls, dass der Anteil der großen Schwellenländer Brasilien, Indien, China sowie Russlands (BRIC) am Problem hervorgehoben wird. So hat sich der »Ökologische Fußabdruck« der OECD-Länder von 1961 bis 2007 mehr als verdoppelt. Der der BRIC-Länder hat sich nicht nur reichlich verdreifacht, er erreicht heut bereits drei Viertel des OECD-Anteils.

Der »Ökologische Fußabdruck« ist ein Versuch, den Ressourcenverbrauch als Verbrauch der Flächen für die Bereitstellung von Nahrung, Rohstoffen, Wohnraum Energie sowie für die Entsorgung der Abfälle messbar zu machen. Seit den 1970er Jahren ist dieser Wert für die gesamte Menschheit größer als die biologische Kapazität der Erde. 2007 lag er bereits 50 Prozent darüber. »Um die Nachfrage nach Nahrung, Energieträgern und anderen natürlichen Rohstoffen zu decken, bräuchte man schon jetzt einen zweiten Planeten«, kommentiert Eberhard Brandes, Vorstand des WWF Deutschland, bei der Vorstellung des Reports.

Für den WWF spielt dabei naturgemäß die Bilanz beim Erhalt der biologischen Artenvielfalt eine zentrale Rolle. Und da konstatiert der Report eine divergierende Entwicklung. Während die Biodiversität in den Ländern der gemäßigten Zone nach ihrem historischen Tiefpunkt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wieder zaghaft zunimmt, geht es in den Tropen von einstmals hohem Niveau rasant bergab. Der WWF-Bericht erfasst den Bestand von 2500 Tierarten weltweit. Deren Bestand ist seit den 70er Jahren im Schnitt um rund 30 Prozent zurückgegangen, in den Tropen sogar um fast 60 Prozent.

Nicht nur der Artenschwund ist ungleich verteilt, auch die Vorteile aus der Naturnutzung sind es. Der »Living Planet Report« dokumentiert, dass die Ursache für den Artentod im wachsenden Hunger der Industrieländer nach Rohstoffen und natürlichen Ressourcen liegt. Entsprechend konstatiert der Report, dass die Gesundheit der Ökosysteme in den armen Ländern besonders stark zurückgegangen ist.

Würden die Naturressourcen gerecht verteilt, wäre bei der aktuellen Weltbevölkerung für jeden Erdenbürger nur eine ökologische »Schuhgröße« von 1,8 Hektar drin. Doch in Deutschland etwa sind es rund fünf Hektar, ein Platz im globalen Mittelfeld.

Angesichts dessen plädiert der WWF für eine neue Definition von Wohlstand, die sich vom Bruttosozialprodukt verabschiedet. Auch mit Blick auf den nächsten Biodiversitätsgipfel im japanischen Nagoya empfiehlt der WWF überdies, wenigstens 15 Prozent der Erdoberfläche in Schutzgebiete zu verwandeln, die natürlich auch ausreichend finanziert sein müssen. Schutzgebiete, in denen die Kamerafalle statt Tigern Bulldozer findet, wie unlängst auf Sumatra, sind keine Lösung, meint Brandes. Kritik übt er auch an einer Subventionspolitik, die die Lebensgrundlage der vermeintlich geförderten Branchen unterminiert. Beispiel Fischfang: Weltweit mit 15 bis 34 Milliarden Dollar subventioniert, sind viele wirtschaftlich relevante Arten fast ausgerottet.

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