Ziel verfehlt

  • Grit Gernhardt
  • Lesedauer: 1 Min.

Unter drei Millionen Arbeitslose! So schallte der Jubelruf bereits am Mittwoch aus dem Munde von Ministerin Ursula von der Leyen, die entgegen allen geltenden Regeln die Zahlen vor dem offiziellen Verkündungstermin der Bundesagentur für Arbeit (BA) herausposaunte. Am Donnerstag vervielfachten sich die Freudenschreie. Ein Zauberwort machte schnell wieder die Runde: Vollbeschäftigung! Wirtschaftsminister Rainer Brüderle sieht Deutschland gar auf der »Schnellstraße« zum viel beschworenen Ziel dahinrasen. Etwas vorsichtiger äußerte sich BA-Vorstand Frank-Jürgen Weise: Er erwartet den Zieleinlauf für 2020.

Wobei es die Begeisterung in der Bevölkerung über das bereits seit Ende der 1960er angepeilte und nun anscheinend in greifbare Nähe gerückte Vollbeschäftigungsvorhaben trüben könnte, wenn die Regierenden auch verkünden würden, dass damit üblicherweise eine Arbeitslosenquote von vier bis sechs Prozent bezeichnet wird. Längst nicht alle, die arbeiten wollen, hätten also auch eine Stelle. Zudem bleibt die Frage, ob es wirklich einziges Ziel der Politik sein sollte, die Erwerbslosenzahlen so niedrig wie möglich zu drücken, um selbst besser dazustehen. Niedriglohnjobs, Weiterbildungsmaßnahmen und Massenleiharbeit beschönigen zwar die Statistik, machen aber noch lange keine Vollbeschäftigung. Ein echter »Rekord« ist es da höchstens, dass Deutschland inzwischen europaweit den größten Niedriglohnsektor sein eigen nennen darf.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.