Freihandelszone selbst verwaltet
Nicaraguanische Näh-Kooperative auf Deutschlandtour
Sulema Mena hat Tränen in den Augen, wenn sie von den Anfängen vor zwölf Jahren erzählt. Nach dem Hurrikan »Mitch« von 1998 ohne Haus und Arbeit umgesiedelt, lebte die heute 43-jährige Mutter von vier Kindern zunächst von Gelegenheitsjobs als Verkäuferin. Als sie sich entschloss, mit anderen Frauen eine auf die Verarbeitung von Bio-Baumwollprodukten spezialisierte Näh-Kooperative in Ciudad Sandino nahe der nicaraguanischen Hauptstadt Managua zu gründen, war nicht absehbar, wie mühsam dies werden würde. 100 000 US-Dollar Startkapital waren aufzutreiben. Die Entwicklungshilfeorganisation »Center for Development in Central America« (CDCA) bekam durch eine Spendenaktion gerade einmal 2000 Dollar zusammen, berichtet sie. Eine Kreditaufnahme, die mittlerweile »zu 40 Prozent getilgt ist«, machte das Projekt erst möglich, betont Maria Elena Medina Vallejos, ebenfalls Mitgründerin. Für die damals 19-Jährige war das Unternehmen »ein Ausweg« aus Zeltunterbringung und Arbeitslosigkeit. Zwei Jahre lang bis 2001 baute sie zusammen mit den anderen Frauen die Fabrik auf. Das habe jede Woche 20 Stunden unbezahlten Baustelleneinsatz bedeutet, erklärt sie. Den Rest der Zeit mussten alle versuchen, Geld zu verdienen.
Was die Mehrheit nicht durchgehalten habe, erinnert sich Maria Elena. Am Ende seien von den 100 Frauen noch 13 übrig geblieben. Nähausbildung, Maschinenunterweisung sowie Einweisung in die Genossenschaftsstrukturen und Unternehmensführung hätten noch einmal zwei Jahre gekostet, erzählt die alleinerziehende Mutter.
Als es dann sechs Jahre nach der Gründungsidee endlich losgehen sollte, fehlten die Kunden. Um besser auf dem internationalen Markt bestehen zu können, gewährte ihnen Nicaragua Zollbefreiung und Steuererleichterung wie in einer Freihandelszone. Die erste von Arbeiterinnen selbst verwaltete »Fair Trade Zone« machten sie zu ihrem Markenzeichen. 2005/2006 wurden dann erste T-Shirts aus Bio-Baumwolle in die USA geliefert. Mittlerweile produzieren sie selbstbestimmt und zu fairen Arbeitsbedingungen T-Shirts, Stoffschuhe, Taschen, Baby- und Unterwäsche auch für Europa und Kanada.
Durch die Weltwirtschaftkrise sind ihnen nun aber Großkunden weggebrochen – vor allem in den USA. Hauptabnehmer der Produkte ist mittlerweile der Versandhandel »Zündstoff« in Freiburg im Breisgau. Diese war von den Politikwissenschaftlern Sascha Klenz und Matthias Rau gegründet worden. Ihr Ziel war es, aus einem Entwicklungsland unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellte schadstofffreie Kleidung zu importieren und zu vertreiben, erklärt Klenz. Vor vier Jahren begonnen, verkaufen sie heute jährlich deutschlandweit rund 20 000 T-Shirts aus der Überseekooperative.
Trotz des starken Produktionseinbruchs in den letzen beiden Jahren »war es das wert«, betonen die beiden Näherinnen. Zeitweise waren bis zu 90 Personen im Betrieb beschäftigt mit Festlohngarantie von 220 US-Dollar monatlich, Krankenversicherung, 13. Monatsgehalt und Fortbildungsangeboten. 2010 seien es nur noch 30 Arbeiterinnen, bei gerade mal fünfmonatiger Betriebsauslastung, bedauern sie. Ihre Hoffnung setzen sie auf Folgeaufträge. Zu diesem Zweck führen sie derzeit – unterstützt von Unternehmen des fairen Handels, von Entwicklungshilfeprojekten beider Kirchen und der Christlichen Initiative Romero – eine Informationsreise durch die Bundesrepublik durch, die sie in den nächsten Tagen noch nach Münster, Göttingen, Hamburg, Bremen und Berlin führen wird.
Die genauen Termine und Veranstaltungsorte finden sich im Internet unter: www.saubere-kleidung.de/2010/ccc_10-09-27_va_nueva-vida-fair_in-d.html
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