LINKE soll interaktiv aktiv werden

Vorstoß orientiert die Partei auf das Internet als eine soziale Dimension des 21. Jahrhunderts

  • Jörg Staude
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Programmdebatte der LINKEN nimmt Fahrt auf. Zum Programmkonvent in Hannover kamen über 600 Parteimitglieder und Journalisten aus 32 Redaktionen – die meisten meldeten ihre Teilnahme online an. Wer einen Überblick über die Debatte will, schaut vor allem ins Netz, dem World Wide Web.

Als eine Frage der Medien wird das Internet auch im Programmentwurf selbst behandelt. Das ist den Autorinnen und Autoren eines kurz vor dem Konvent veröffentlichten Debattenpapiers – Bodo Ramelow, Petra Sitte, Halina Wawzyniak und andere – nicht genug. »Eine zeitgemäße linke Netzpolitik bewegt sich in einem produktiven Spannungsverhältnis aus notwendigen Gesetzen und Förderung von zivilgesellschaftlichen Institutionen jenseits von neo-liberalen bzw. techno-libertären und klassisch etatistischen Positionen«, heißt es einleitend in dem Papier.

Die »jenseitige« Spannung des Internets resultiert zweifellos aus dem Umstand, dass das die globale Echtzeit-Kommunikation die seit langem ambivalenteste Technik ist, die die Menschheit erfunden hat. Widersprüchlicher als die Atomkraft, von der man inzwischen weiß, dass auch ihre sogenannte friedliche Nutzung, vor allem als elektrischer Strom, in zementierten Monopolmärkten, unlösbaren Müllfragen und demokratisch fragwürdiger Herrschaftspolitik mündet.

Ware Information, wahre Information

Die Parallelentwicklung des Internet ist schon frappierend: Auch hier reißen wenige Großkonzerne die Netzkontrolle an sich, wird (Informations)Macht in Milliardengewinne umgemünzt und zeigen sich Regierungen unwillig oder unzuständig, das Netz menschlich-demokratisch zu regulieren. Diese Tendenzen haben auch das Gerede von einer postmodernen Wissensgesellschaft, die die reale Warenproduktion ersetze, auf den Boden der handelbaren Waren Information und Kommunikation herabgeholt. Möglicherweise hat es erst dieses Punkts bedurft, an dem das Netz massiv ins soziale Leben eingreift, damit die LINKE nicht mehr anders kann, als sich dieser sozialen Interaktion des 21. Jahrhunderts anzunähern.

Lobenswert am vorgelegten Papier ist, dass es das Internet in nahezu allen Lebensbereichen verortet: Dieses ermöglicht selbstbestimmte flexible Arbeit einer neuen Kreativschicht genauso wie Leistungsdruck und jederzeitigen dienstlichen Zugriff auf jeden Beschäftigten, wo auch immer er sich befindet. Internet und Breitband ermöglichen – zum Beispiel durch Telemedizin – die reale Vermeidung von Mobilität ebenso wie das explosionsartige Anwachsen der Transportlogistik, weil in Netz georderte Waren von Menschen zumeist physisch konsumiert werden. Die Onlinewelt macht den big brother ebenso wie den Flashmob möglich. Und so wie sich der Markt nach mehreren Jahrhunderten Buchdruck in Schund- und Nobelpreisliteratur, in Qualitäts- und Boulevardjournalismus, in marktbeherrschende Großverlage, jede Menge geistigen Müll und wenige wirkliche Geistesperlen aufgespalten hat, so vollzieht sich die Entwicklung im Internet. Netzwüsten kommentierten Mülls, gefakte Verbraucherportale stehen neben echten Watchblogs.

Aus dieser Sicht ist für die Autoren klar: Die globale und vernetzte Kommunikationswelt ist für die LINKE ein klassisches programmatisches Querschnittsthema, nahezu auf einer Ebene mit der ökologischen und der feministischen Problematik. Es gehört zu den Stärken des vorliegenden Papiers, diesen Ansatz möglichst konsequent umzusetzen. Der Mensch, seine Bedürfnisse sollen auch im Netz das Maß der Dinge sein, es gelte die »Hoheit der politischen über die technologische Sphäre zu behaupten«.

So eine Art ÖPNV im Netz

Der Teufel steckt auch hier im Detail: DIE LINKE ist gegen (manipulierbare) Wahlcomputer, aber für E-Demokratie. Zu einem emanzipativen Leben, wie es die LINKE als Forderung vor sich herträgt, muss auch gehören, dass selbstbestimmtes Leben auch unter Verzicht auf Besitz privater Computer möglich sein muss – so wie der (private) Besitz eines Autos keine Voraussetzung für Mobilität sein kann. Wie man so eine Art Internet-ÖPNV schafft, ist eine von vielen Fragen. Gut, dass sie jetzt gestellt werden.

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