Russisches Roulette für Monsanto und BASF

Vor dem Urteil zum Gentechnikgesetz

  • Dirk Farke
  • Lesedauer: 3 Min.
Heute verkündet das Bundesverfassungsgericht sein Urteil zu einem Normenkontrollantrag des Landes Sachsen-Anhalt zum Gentechnikgesetz.

Als Normenkontrollklage bezeichnet der Jurist ein besonderes verfassungsrechtliches Verfahren, mit dem eine Landesregierung die Vereinbarkeit von Bundesrecht mit dem Grundgesetz durch das Bundesverfassungsgericht überprüfen lassen kann. Im konkreten Fall hatte das Land Sachsen-Anhalt gegen eine Reform des Gentechnikgesetzes der rot-grünen Bundesregierung aus dem Jahre 2004 geklagt.

Sachsen-Anhalt, das damals von einer schwarz-gelben Landesregierung regiert wurde (heute große Koalition) und eine sogenannte Biotech-Offensive ausgerufen hatte, hielt die »repressiven Regelungen« des Gentechnikgesetzes für nicht rechtens, weil das Gesetz zu einer »verfassungswidrigen Beeinträchtigung von Landwirten und Forschern, die genveränderte Organismen einsetzen«, führe. So müssten Landwirte im Fall einer Kontaminierung von konventionell bepflanzten Nachbargrundstücken haften. Des weiteren wendet sich die Klage gegen das sogenannte Standortregister, da die zugänglichen Informationen in der Vergangenheit immer wieder zu Feldzerstörungen – Kritiker der Gentechnik sprechen von Feldbefreiungen – geführt haben.

Bei der mündlichen Verhandlung im Juni verteidigte sogar die jetzige schwarz-gelbe Bundesregierung das Gesetz. Ihre Prozessvertreter erinnerten daran, dass das Grundgesetz auch den Schutz der Umwelt sowie der Tier- und Pflanzenwelt vorschreibe. Außerdem müsse der Verbraucher eine Wahl zwischen konventionellen oder ökologisch hergestellten und genveränderten Lebensmitteln haben.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) wirft der sachsen-anhaltischen Landesregierung vor, mit ihrer Klage die gentechnikfreie Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion in Deutschland zu gefährden. Die Interessen einiger weniger Gentechniklobbyisten sollten auf Kosten der Allgemeinheit durchgesetzt werden. Heike Moldenhauer, Gentechnikexpertin des BUND, äußerte gegenüber dem ND den Verdacht, dass sich die Landesregierung in Magdeburg vor den Karren der Gentechnikkonzerne spannen lasse: »Mit ihrer im Interesse von Monsanto, BASF und anderen Gentechkonzernen beim Bundesverfassungsgericht eingereichten Stellvertreterklage missachtet Sachsen-Anhalts Regierung das Interesse von Bauern und Verbrauchern, weiter gentechnikfrei produzieren und sich ernähren zu wollen.«

Auch die LINKE lehnt die begehrten Änderungen im Gentechnikgesetz ab. Wie Kirsten Tackmann, agrarpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, dieser Zeitung erläuterte, liege die Position der Linken konträr zur Auffassung der sachsen-anhaltischen Landesregierung. »Die Agro-Gentechnik ist ein russisches Roulette«, sagte sie. Der Schutz der »normalen Bauern« und der Imker vor den Profitinteressen der Agrarmultis sei sehr, sehr wichtig. Christian Rehmer, Tackmanns wissenschaftlicher Mitarbeiter, ließ verlauten, mittlerweile gehe sogar das Gerücht um, die große Koalition in Sachsen-Anhalt habe wohl einfach vergessen, die Klage, die die Vorgängerregierung beim Bundesverfassungsgericht eingereicht habe, zurückzunehmen.

Dass der erste Senat des Bundesverfassungsgerichtes in seiner heutigen Entscheidung die Reform des Gentechnikgesetzes aus dem Jahr 2004 für verfassungswidrig erklärt, ist in der Tat außerordentlich unwahrscheinlich. Wäre eine Konsequenz des Erfolges dieser Klage doch zum Beispiel, dass ein Landwirt, dessen Nachbar transgene Pflanzen anbaut, es rechtlos hinnehmen müsste, wenn er seine Produkte nicht mehr verkaufen könnte.

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