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Patienten brauchen mehr Rechte

Fachgespräch zum juristischen Umgang mit Ärztefehlern

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Rechte von Patienten erscheinen in Deutschland nicht sonderlich gut geschützt. Die Aussichten, einen Prozess wegen eines Arztfehlers zu gewinnen, sind schon rein statistisch sehr niedrig. Nötig wären Gesetzesänderungen, am besten gebündelt in einem Patientenrechtsgesetz.

Juristen, Verbraucherschützer und Patientenvertreterinnen diskutierten am Montag in Berlin auf Einladung der Grünen-Bundestagsfraktion über die Möglichkeiten von Patienten, Ärzte wegen Behandlungsfehlern juristisch zu belangen. Der Berliner Fachanwalt für Medizinrecht, Jörg F. Heynemann, verwies zunächst auf einige Tücken in Prozessen. So müsse der Patient nicht nur den Fehler des Arztes nachweisen, sondern auch, dass der ihm entstandene Schaden sicher dadurch verursacht wurde. In der Praxis bedeute das für den medizinischen Laien erhebliche Schwierigkeiten, schließlich laufe das Ganze auf eine entscheidende Rolle des Gutachters hinaus, so Heynemann. Hinzu kommt, dass etliche Begrifflichkeiten nicht definiert sind. Ein einfacher Behandlungsfehler gilt als Abweichung von medizinischen Leitlinien oder Lehrbüchern, ein grober Behandlungsfehler aber ist medizinisch nicht vorstellbar, eigentlich dürfe er gar nicht unterlaufen. Gutachter, erläuterte der Experte, wissen mit letzterer Kategorie nichts anzufangen und entscheiden dann eher subjektiv.

Mehrjährige Verhandlungsdauer

Heynemann nannte einige Beispiele von Prozessen zu schweren Behandlungsfehlern bei Kindern. Darin wurden nach drei- bis sechsjähriger Verhandlungsdauer zwischen 500 000 und 850 000 Euro Schmerzensgeld und teils auch materieller Schadenersatz erstritten. Aber nicht immer führen Ergänzungs- und Privatgutachten dazu, dass der Prozess am Ende gewonnen wird.

Der Münchener Richter Thomas Steiner, der einer Zivilkammer für Medizinrecht vorsteht, zweifelt grundsätzlich daran, dass alle geschädigte Patienten zu ihrem Recht kommen. Zwar stiegen die Fallzahlen etwa an seinem Landgericht kontinuierlich seit zehn Jahren an, aber die dort 2009 verhandelten 270 Fälle könnten nicht alle Ärztefehler des Einzugsbereiches abbilden. Schon ein Vergleich mit den 40 000 Streitfällen, die pro Jahr bei deutschen Ärztekammern anhängig sind, weist darauf hin.

Dass die Behandlungsfehler nicht vor Gericht gelangen, kann mehrere Ursachen haben. Steiner nennt schlechte Erfolgsaussichten, eine außergerichtliche Einigung oder fehlende Ressourcen der Kläger, darunter mangelnde Information oder finanzielle Mittel. Rechtsschutzversicherungen lassen sich in der Regel nicht für eine aufwendige Klage in Anspruch nehmen, auch die Prozesskostenhilfe für sozial Schwache sei hier nicht ausreichend. Steiner plädierte für das österreichische Modell des unabhängigen Patientenanwalts. Dieser habe uneingeschränkten Zugang zu den Patientenunterlagen. Durch die von ihm geleitete Zusammenarbeit von Medizinern und Juristen könnte in 90 Prozent der Fälle eine Einigung herbeigeführt werden.

Erleichterung der Beweislast

Die Diskussion um die Stärkung der Patientenrechte wird die Bundestagsparteien in den nächsten Monaten weiter beschäftigen. Die Grünen erwägen, den Patienten die Beweislast zu erleichtern und diese bei einer existenziellen Bedrohung – ob durch die Folgen einer ärztlichen Handlung oder einer aussichtslosen Klage dagegen – besser zu schützen. Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Wolfgang Zöller, will bis Ende des Jahres einen Diskussionsentwurf für ein entsprechendes Gesetz vorlegen.

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