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»Unser Hamburg – unser Netz«

Bündnis fordert Rückkauf der Energieleitungen

  • Rainer Kreuzer, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Die erste Hürde bis zum Volksentscheid ist erreicht: Bis Weihnachten muss die Hamburger Bürgerschaft über die Frage entscheiden, ob die privatisierten Energienetze der Stadt rekommunalisiert werden sollen.

Das breite Bündnis »Unser Hamburg – Unser Netz« hat mit 17 726 Unterschriften die Stadt Hamburg dazu aufgefordert, die privatisierten Energienetze zu rekommunalisieren. Bis kurz vor Weihnachten muss die Bürgerschaft zu dem Antrag der Volksinitiative Stellung beziehen. Doch die bisherige Koalition aus CDU und GAL ist gerade zerbrochen, und im Rathaus herrscht Ratlosigkeit.

Im Ablehnungsfall will die Initiative als zweiten Schritt ein Volksbegehren und gegebenenfalls dann einen Volksentscheid über den Rückkauf der Strom-, Gas- und Fernwärmenetze durch die Stadt einleiten. Zu dem Bündnis gehören 24 Organisationen, darunter zum Beispiel Greenpeace, Attac, aber auch der örtliche Steuerzahlerbund und der Evangelisch-Lutherische Kirchenkreis Hamburg-Ost.

Die GAL weiß nicht so recht – und die SPD laviert

»Die Ziele der Volksinitiative ›Unser Hamburg – Unser Netz‹ kann ich im Grundsatz teilen«, erklärte die umweltpolitische Sprecherin der GAL-Fraktion, Jenny Weggen, noch vergangene Woche. Seit Montag ist sie raus aus dem Parlament, weil sie nur Nachrückerin für Justizsenator Till Steffen von der GAL war. Steffen sowie seine beiden Senatsolleginnen von der GAL wurden von Noch-Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) entlassen, nachdem die Grünen am Sonntag die Koalition platzen ließen.

Eigentlich hatte die GAL Rücksicht auf den bisherigen Partner nehmen und mit der CDU eine gemeinsame Haltung zur Frage der Rekommunalisierung der Energienetze erarbeiten wollen. Doch das ist nun Schnee von gestern. Wie die GAL nun abstimmen will, blieb wegen der machtpolitischen Turbulenzen in der Stadt bislang jedoch ungeklärt.

Die CDU machte zuletzt aus ihrer ablehnenden Haltung keinen Hehl. »Wir sehen das sehr, sehr kritisch«, die CDU habe »viele Vorbehalte«, sagte ihre stellvertretende Fraktionsvorsitzende Kerstin Feddersen. Aus Rücksicht auf die GAL hatte sich die Union aber vor dem Koalitionsbruch noch ein Hintertürchen offen gehalten. Doch diese Strategie taugt nun im Wahlkampf nicht mehr.

Die brisante Entscheidung in Sachen Rückkauf hatten die Koalitionäre ohnehin schon bis zum letztmöglichen Termin verschoben, weil die Interessen zu sehr auseinanderlagen. Umso spannender wird nun die Haltung der SPD. Denn diese will nach der kommenden Bürgerschaftswahl am 20. Februar mit den Grünen gemeinsam regieren. Doch eine klare Aussage zum Rückkauf fehlt dort auch.

Skandale und das Ende der Euphorie

Christoph Holstein, Pressesprecher der SPD-Fraktion, würde eine Wiederbeteiligung der Stadt an den privatisierten Energienetzen begrüßen. Doch nicht alles auf einmal, wie es die Volksinitiative fordert, sondern »Schritt für Schritt«. Zunächst solle eine Anteilsübernahme von 25,1 Prozent angestrebt werden, sagt Holstein. Wie die SPD-Fraktion nun im Parlament abstimmen werde, sei noch immer nicht entschieden.

Eine klare Position für den Rückkauf vertritt einzig die Linksfraktion. In der Bürgerschaft wäre rechnerisch eine rot-rot-grüne Mehrheit möglich. Die Konzessionsverträge über die Netze laufen 2014 aus und müssten 2012 gekündigt werden.

Sollte die Bürgerschaft dem Antrag der Volksinitiative stattgeben, wäre dies eine Kehrtwende nach zwei Jahrzehnten der Privatisierung. Die Hamburgischen Electricitätswerke waren schon von SPD-Regierungen in den 1990er Jahren zur Hälfte verkauft worden, CDU-Bürgermeister Ole von Beust veräußerte 2002 die restlichen Anteile an den schwedischen Energiekonzern Vattenfall. Die Hamburger Gaswerke Hein Gas wiederum gingen an den E.on-Konzern und heißen nun E.on Hanse.

Der frühere Senat von CDU und Schill-Partei privatisierte dann noch den Landesbetrieb Krankenhäuser, obwohl zuvor in einem – nicht verbindlichen – Volksentscheid die Mehrheit der Hamburger gegen einen Verkauf votiert hatte. Eine Veräußerung der Wasserwerke konnte 2004 durch ein Volksbegehren verhindert werden. Die Privatisierungen waren in der Öffentlichkeit auf große Proteste gestoßen. Die Euphorie aus den 1990er Jahren ist nach zahlreichen Skandalen und Pannen in den privatisierten Betrieben längst verflogen.

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