Lichtjahre hier, Leitwölfe da

Beim FC Bayern München glaubt nach dem 0:2 bei Schalke 04 niemand mehr an die erfolgreiche Titelverteidigung

  • Jürgen Zelustek und
  • Lesedauer: 3 Min.

Thomas Lipinski, SID

Felix Magath hatte sein Lächeln wiedergefunden, sein Kollege Louis van Gaal schrieb dagegen mit versteinerten Miene die deutsche Meisterschaft für Titelverteidiger Bayern München ab. »Meister kann man immer noch werden. Aber es wird immer schwieriger. Wenn wir realistisch sind, müssen wir auf den zweiten oder dritten Platz gehen«, sagte der sichtlich schockierte Niederländer nach der 0:2-Pleite beim kriselnden FC Schalke 04 und gratulierte nach nur 15 Spieltagen Herbstmeister Dortmund quasi schon zum Titelgewinn: »Wir erhöhen nicht den Druck auf Dortmund, das macht Mainz auch nicht. Dann wird es einfach sein für Dortmund.«

Sportdirektor Christian Nerlinger sieht den BVB gar »Lichtjahre entfernt«. Ganz so weit wollte Mark van Bommel, der nach über zweimonatiger Zwangspause wegen Knieproblemen sein Comeback in der Startelf gefeiert hatte, noch nicht gehen. »Wir sind immer in der Lage, eine Serie zu starten«, so der Kapitän, gab aber auch zu: »In dieser Verfassung können wir Dortmund nicht einholen, unser Minimalziel muss es nun sein, einen Champions-League-Platz zu holen.«

Sätze, die seinem Präsidenten Uli Hoeneß und Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge die Zornesröte ins Gesicht treiben. Das Führungsduo verließ kommentarlos die Schalke-Arena, ihre Blicke sagten aber mehr als tausend Worte. Dabei dachten sie wohl an die Vielzahl von Chancen, die die Bayern vor der Pause ausgelassen hatten. »Da hätten wir locker 2:0 oder sogar 3:0 führen müssen. Aber das ist keine Entschuldigung, warum wir nach dem 0:1 nicht mehr dagegen gehalten haben«, sagte van Bommel und kritisierte damit indirekt die Einstellung seines Teams. Van Gaal konstatierte fast schon resignierend: »Wir haben fünf, sechs 100-prozentige Chancen kreiert, aber kein Tor geschossen. Ich kann diese Chancen ja nicht selbst verwerten.«

Aus purer Verzweiflung hatte van Gaal in der Schlussviertelstunde Daniel van Buyten für den starken Bastian Schweinsteiger gebracht und den belgischen Verteidiger ins Sturmzentrum beordert. »Ich hatte sonst keine Alternativen«, sagte der Bayern-Coach, der am Mittwoch in der Champions League gegen den FC Basel auf die Rückkehr von Miroslav Klose hofft.

Während beim Rekordchampion Tristesse pur herrschte, war bei den Königsblauen nach einer harten Woche im Anschluss an das 0:5-Debakel beim Aufsteiger 1. FC Kaiserslautern ein Hauch von Zufriedenheit zu spüren. »Wenn wir immer so spielen würden, gäbe es diese Diskussionen nicht«, sagte Trainer-Manager Magath, der unter der Wochen den Klubbossen Gründe für die und Auswege aus der Krise aufzeigen musste.

Der überragende Nationaltorwart Manuel Neuer, der seinen möglichen künftigen Arbeitgeber mit einer Reihe von Glanztaten zur Verzweiflung getrieben hatte, warnte aber: »Wir müssen zusehen, dass wir nicht in Euphorie verfallen. Wir müssen endlich Konstanz in unser Spiel bringen.« Dann stellte der WM-Held nach der turbulenten Woche auf Schalke auch noch einmal klar, wer der Boss bei 04 ist: »Wir folgen dem Trainer, er ist unser Leitwolf, und die Mannschaft will mit ihm kooperieren.«

Neuer selbst hatte nicht nur glänzend gehalten, sondern mit einem langen Abschlag auch das 1:0 durch den starken Jose Manuel Jurado (58.) eingeleitet. Benedikt Höwedes (67.) machte dann den ersten Schalke-Heimsieg gegen den Rekordmeister seit fünfeinhalb Jahren perfekt, durch den die Gelsenkirchener wieder ein wenig Abstand zu den Abstiegsrängen gewannen.

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