Mikrokredite in Indien in der Krise

  • Martin Ling
  • Lesedauer: 2 Min.
Es ist noch nicht lange her, da wurden Mikrokredite von vielen Entwicklungspolitikern als Wunderwaffe im Kampf gegen die Armut gepriesen. Vor allem die Verleihung des Friedensnobelpreises 2006 an den Gründer der Grameen Bank in Bangladesch, Mohammed Junus, verliehen Mikrokredite im entwicklungspolitischen Instrumentarium einen immer größeren Stellenwert. Das Geschäft damit erlebte ungeahnte Wachstumsraten. War das Business einst auf arme Leute spezialisierte Institutionen beschränkt, stiegen nun von Weltbank bis hin zu Großbanken fast alle ein. Schließlich liegen die Zinsen bei Kleinkrediten weit über Normalniveau.

Dass zu schnelles quantitatives Wachstum quasi immer Probleme mit sich bringt, weil die Kredit vergebenden Institutionen qualitativ nicht schnell genug mitwachsen, zeigt sich derzeit augenscheinlich in Indien. Dort zahlen im Mikrokredit-Vorzeigestaat Andra Pradesh nur noch 20 bis 30 Prozent der Millionen Kunden ihr Darlehen ab. Kein Vergleich zu den Raten von weit über 90 Prozent, mit denen die Grameen-Bank einst Werbung für die sichere Sache machte.

In Andra Pradesh haben sich in den vergangenen Monaten Dutzende Frauen das Leben genommen, weil sie die Kleinstkredite von rund 300 Rupien (etwa 5 Euro) nicht mehr zurückzahlen konnten. Diese traurigen Tatsachen bringen das grundsätzliche Problem beim Thema Mikrokredit wieder in den Blick: Der Kredit entpolitisiert die existenzielle Frage des Überlebens und ökonomisiert sie in marktangepasster Form. Damit wird zwar im Erfolgsfall ein Beitrag zum sozialen Frieden geleistet. Platzt jedoch der Kredit, wird er nicht vorab realistisch geprüft, bedeutet das das soziale Aus für den Kreditnehmer. Mit oft tödlichen Folgen.
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