Landauer Nachbeben

Rheinland-Pfalz verschärft nach einem Expertengutachten die Vorgaben für Geothermie-Kraftwerke

  • Marc Strehler, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Saubere Energie mit Nebenwirkungen: Die Nutzung der tiefen Erdwärme ist am Oberrheingraben mit einem erhöhten Erdbebenrisiko verbunden. Die Fragezeichen zur Zukunft der Geothermie werden größer.

Landau. Das Geothermiekraftwerk in Landau war »sehr wahrscheinlich« für mehrere kleine Erdbeben in der pfälzischen Stadt verantwortlich. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten von Experten, das die rheinland-pfälzische Landesregierung in Auftrag gegeben hatte. Als Konsequenz will das Land Betreibern solcher Kraftwerke schärfere Auflagen machen. Außerdem soll noch in diesem Jahr ein Mediationsverfahren starten, in dem zwischen den Interessen der Geothermiebetreiber und der Bürger vermittelt werden soll.

Ein Erdbeben begleitet von einem lauten Knall hatte am 15. August 2009 die Menschen in Landau aufgeschreckt. Auf das Beben mit einer Stärke von 2,7 folgten einen Monat später sechs weitere spürbare Erschütterungen.

Der Druck ist das Problem

Mehrere Bewohner der Stadt meldeten kleinere Schäden an ihren Häusern – dass für diese die Beben verantwortlich waren, ist aber nicht erwiesen. Der Kraftwerksbetreiber zahlte in zehn Fällen kleinere Entschädigungsbeträge, »aus Kulanz«, wie er betont.

In dem Gutachten der Experten, das am Mittwoch vorgestellt wurde, wird das Ende 2007 in Betrieb genommene Kraftwerk für die Beben verantwortlich gemacht. Es fördert heißes Wasser aus mehr als 3000 Metern Tiefe und produziert mit dessen Hilfe Strom und Wärme. Anschließend wird das abgekühlte Wasser wieder in die Tiefe gepumpt. Hier sehen die Experten auch die Ursache für die Beben: Weil das Wasser mit hohem Druck in das Tiefengestein gepresst wird, können sich dort Spannungen aufbauen und lösen – die Erde bebt.

Seit den Beben läuft das Kraftwerk auf Geheiß der Behörden mit verminderter Leistung, also auch geringerem Druck. Weitere spürbare Beben blieben aus. Die Experten gehen davon aus, dass sich auch mit einem Frühwarnsystem künftig derartige Beben vermeiden lassen. Durch intensive Messungen soll frühzeitig erkannt werden, wenn sich im Erdinneren etwas zusammenbraut – und dann mit dem Drosseln des Kraftwerks gegengesteuert werden. Der Vorsitzende der Expertenrunde, Christian Bönnemann von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, schränkte aber ein: »Eine Garantie kann es nicht geben.«

Bei der Inbetriebnahme des Kraftwerks war die Geothermie noch als saubere Energie der Zukunft gefeiert worden, die Landesregierung sah Rheinland-Pfalz als Vorreiter auf diesem Feld.

Die Euphorie ist verflogen

Auch die Bundesregierung sah zuletzt gewaltiges Potenzial bei der Erdwärme. Im 2009 vom Bundeskabinett verabschiedeten Geothermiebericht wird davon ausgegangen, dass bis 2020 Geothermie-Kraftwerke mit einer Leistung von 280 Megawatt am Stromnetz sind – was mehr als 50 Kraftwerken entspräche. Heute gibt es gerade einmal eine Handvoll – ihr Anteil an der Stromproduktion in Deutschland ist verschwindend gering.

In Rheinland-Pfalz ist die Euphorie verflogen, Wirtschaftsstaatssekretär Alexander Schweitzer (SPD) sagte vorsichtig: »Die Geothermie kann eine Rolle spielen im Reigen der erneuerbaren Energien.« Vorrang habe aber ganz klar die Sicherheit der Bürger. Die Landauer Beben-Problematik ist laut Bönnemann zwar auf den für Geothermie besonders interessanten Oberrheingraben übertragbar – für Norddeutschland dagegen etwa gelte sie nicht. In Rheinland-Pfalz müssen Kraftwerksbetreiber künftig schärfere Auflagen erfüllen, was auch höhere Investitionen für die Unternehmen bedeutet.

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