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Maske, Gesicht

Trintignant 80

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 2 Min.

Ist die Maske eine Krankheit des Gesichts – oder dessen Leistung? Die Leistung dieses Schauspielers bestand darin, all seinen Gestalten eine Antwort auf diese Frage zu verweigern. Die Starre des Gesichts strömte etwas aus von den Klimaverhältnissen in einem Eisgrab. Aber die Unbeweglichkeit, die Panzerdichte des Ausdrucks ließen doch trotzdem Geheimnisse ahnen: die Weichheit eines berührbaren Menschen, die Angst einer überforderten Männlichkeit, den bittenden Charme einer einsamen Seele. Jean-Louis Trintignant (Foto: dpa) spielte Gangster und Gesetzeshüter, Verführer und Verführte, Draufgänger und Drückeberger, er wechselte die Typen – um als Charakter unverkennbar zu bleiben. Und wurde einer der meistbeschäftigten Schauspieler Frankreichs.

Er stammt aus dem Süden des Landes und hatte doch das Wächserne, fast Gläserne, zum Schweigen sich Neigende eines unbestimmten Nordens. Nach dem Schauspielstudium in Paris spielte er viel Shakespeare, aber die Bühne wurde seine Heimat nicht. Vor Kameras erst wurde er heimisch, wobei die über achtzig Filme, in denen er mitwirkte, zum großen Teil als Unterhaltungsware bezeichnet werden können. Aber seine Aura hatte neben den wirksamen Kräften der Kälte und der Beherrschtheit auch genügend Selbststrahlung – er blieb bedeutend, auch wenn der Stoff nichts mit ihm zu tun hatte.

»Und immer lockt das Weib«, von Roger Vadim: Trintignant als der Beklommene, Schüchterne, der unbelohnte Melancholiker. »Meine Nacht bei Maud« von Eric Rohmer: Er gibt auf beinahe zarte Art einen verhuschten Intellektuellen. Im »Großen Irrtum« von Bernardo Bertolucci spielt Trintignant einen faschistischen Mitläufer. Jacques Derays setzte ihn als französischen Gangster ins ferne New York, und aus einem europäischen Verbrecher in Amerika wird der moderne Mythos vom Fremden in der Moderne.

Und: Kitsch-Klassiker »Ein Mann und eine Frau« von Claude Lelouch. Immerhin verkörpert Trintignants Gestalt eine Wahrheit: Es gibt keine wirkliche Liebe ohne die Lust, sie tödlich aufs Spiel zu setzen. Heute wird Jean-Louis Trintignant achtzig.

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