Werbung

Tabubruch und Präzendenzfall

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 2 Min.

35 Jahre nach dem Tode Francos hat Spaniens sozialdemokratischer Regierungschef Zapatero mit Alarmzustand und Militarisierung der Flugaufsicht als Mittel gegen den wilden Streik der Fluglotsen ein Tabu gebrochen.

Es geht um viel Geld, konkret um die Teilprivatisierung profitabler Verkehrsflughäfen wie Madrid-Barajas und Barcelona-El Prat. Damit soll internationalen Investoren signalisiert werden, dass Spanien »attraktiv« bleibt. Wenn aufmüpfige Gewerkschaften diesem Ziel im Wege stehen, zeigt ihnen die Staatsgewalt ihre volle Härte.

Es geht auch um Arbeitnehmerrechte. So hat die Regierung den Fluglotsen nach Gutsherrenart per Dekret die Arbeitszeit heraufgesetzt und Errungenschaften wie die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Sonderurlaub in dringenden Familienangelegenheiten und Freistellung von der Arbeitszeit für Betriebsratsarbeit oder Fortbildungen gestrichen. Selbst im streikarmen Deutschland brachen 1996 spontane Arbeitskämpfe aus, als die Regierung Kohl die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall kürzte.

War das Timing Zufall? Hat die Regierung gar den lange schwelenden Konflikt bewusst so zugespitzt, dass es an einem langen Wochenende mit erhöhtem Reiseaufkommen zum Showdown kam? So konnte sie sich als »Retterin« von hunderttausenden gestrandeten Passagieren profilieren, die den »privilegierten« Fluglotsen die Zähne zeigt. An dieser sehr gut situierten Berufsgruppe sollte ein Exempel statuiert werden. Zumal deren Berufsverband USCA abseits der großen Gewerkschaften UGT und CC.OO. steht und sich noch nie groß für die »normalen« Lohnabhängigen interessiert hat. UGT- und CC.OO.-Sprecher distanzierten sich von der USCA und kritisierten die Intervention des Staates als gefährlichen »Präzedenzfall«, kündigten Widerstand gegen die Flughafenprivatisierung an.

In der Tat könnte diese Militarisierung der Flugaufsicht Schule machen. Wer garantiert, dass der Staat nicht genau so gegen andere Streikende im Verkehrsbereich oder öffentlichen Dienst vorgeht und bei ihnen plötzlich »Privilegien« und »Egoismen« entdeckt? Zumal Zapatero mit seiner arbeitnehmerfeindlichen Politik einen Wahlsieg der rechtskonservativen PP bei der nächsten Wahl fördert.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal