Hoeneß wird zum Wolfsburger Buhmann

Die Niedersachsen erkämpfen noch ein glückliches 2:2 gegen Hoffenheim – in der Mannschaft stimmt aber vieles nicht

Fangesänge sind ein verlässlicher Indikator der Stimmungslage eines Vereins – ehrlich und authentisch. Im Gegensatz zu den Angestellten eines Klubs vertreten Fans ihre Meinung offen und schonungslos. Und die Beziehung zu ihrem Verein ist eine Herzensangelegenheit. Sie wechseln nicht bei einem besseren Angebot oder wenn es mal nicht so gut läuft. So ist es wenig überraschend, dass die Anhänger des VfL Wolfsburg am Sonnabend nach dem sechsten Unentschieden in Folge dankbar jubelten. Gegen die Gäste von 1899 Hoffenheim gab es nach einem 0:2-Halbzeitrückstand noch ein 2:2.

»Wir haben die Schnauze voll« schallte es nach den ersten 45 Minuten mit nur einer Wolfsburger Torchance von den Rängen. Luiz Gustavo und Gylfi Sigurdsson hatten die haushoch überlegenen Hoffenheimer in Führung gebracht. Vedad Ibisevic und Sehad Salihovic hätten das Ergebnis noch klarer gestalten können. Während die Gäste mit viel Laufbereitschaft und präzisem Kurzpassspiel die richtigen Mittel auf dem glitschigen Rasen fanden, lief bei den Wolfsburgern nichts zusammen. Neben haarsträubenden Abspielfehlern und Abstimmungsproblemen in der Abwehr brachte vor allem der fehlende Wille die Fans auf.

Doch der Schuldige in den Augen der Anhänger ist ein Anderer. Die »Hoeneß raus«-Rufe wurden mit zunehmender Spielzeit immer lauter. Seit elf Monaten ist Dieter Hoeneß Manager des VfL Wolfsburg. Nach einer missratenen Vorsaison mit Platz acht ist die Qualifikation für einen europäischen Wettbewerb das klare Ziel. Unter der Verantwortung von Hoeneß hat der Klub dafür über 40 Millionen Euro für neue Spieler ausgegeben und mit dem Engländer Steve McClaren einen neuen Trainer verpflichtet. Die Bilanz nach der Hinrunde: Platz 13, magere 19 Zähler und nur vier Punkte Vorsprung auf einen Abstiegsplatz.

Vielleicht will Hoeneß den Fans die Angst nehmen, wenn er sagt, »mit dem Abstiegskampf werden wir nichts zu tun haben«. Der Blick auf die Mannschaft sagt etwas anderes. Neben der Schwachstelle auf der Schlüsselposition im defensiven Mittelfeld fehlen dem Team auch Geschlossenheit und Harmonie. Die Entscheidung, den seit dem Meisterjahr 2009 wechselwilligen Stürmer Edin Dzeko zum Kapitän zu machen, hilft dabei genauso wenig wie der Königstransfer des vergangenen Sommers. Der brasilianische Spielmacher Diego ist mehr launischer Individualist als bedingungsloser Teamplayer.

»Wir können immer noch nicht glauben, dass wir dieses Spiel nicht gewonnen haben«, war Hoffenheims Trainer Ralf Rangnick noch eine Stunde nach Abpfiff ratlos. Zwar führten auch eine Leistungssteigerung und mehr kämpferischer Einsatz zu den Wolfsburger Toren durch Diego (75. Minute) und Dzeko (90.), doch entscheidend war die verletzungsbedingte Auswechslung des überragenden Hoffenheimers Luiz Gustavo. Nachdem der brasilianische Mittelfeldspieler in der 65. Minute das Feld verlassen musste, verlor sein Team die Spielkontrolle.

Mit dem glücklichen Punktgewinn beenden die Wolfsburger die Hinrunde mit »gemischten Gefühlen«, beschreibt Marcel Schäfer, denn »so kommen wir nicht vom Fleck«. So ist es auch mit dem Schlussjubel der Fans – die Probleme bleiben.

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