»Ich wünsche mir einen Korb mit Essen«
In Rio de Janeiro prallen zu Weihnachten mehr denn je die Gegensätze von Arm und Reich aufeinander
Es wird 2010 nicht anders sein. Auf dem Weg zu einem Freund stolperte ich vor Jahresfrist über Partymüll, Reste der Weihnachtsfete in einer Luxusvilla. Neben einigen Dutzend leerer Champagner-Flaschen der teuersten Marke schlief im Straßendreck eine alte, verrunzelte obdachlose Frau.
In Rio de Janeiro wohnen üppiger Wohlstand und bittere Armut Tür an Tür. Das kann auf Dauer nicht gut gehen. Die Zahl der Häftlinge ist seit Mitte der Neunzigerjahre sprunghaft angestiegen. Verdächtige kommen schneller hinter Gitter. Zum großen Teil sind es Schwarze und Farbige, die in den aus allen Nähten platzenden Knästen sitzen. Die reiche Minderheit sperrt sich mehr und mehr selber ein, in abgeschottete, schwerbewaffnete Wohngebiete, Kondominiums genannt. Sie haben eigene Supermärkte, Schulen und Buslinien ins unsichere Umland, Mitfahrt nur mit Kondominiumsausweis.
Weihnachten kommt es zu Begegnungen. Auf den Verkehrsinseln an der Lagoa, dem wunderschönen Binnensee zwischen dem mondänen Ipanema und dem christusgekrönten Corcovado, lagern obdachlose Familien. Bisweilen stoppt eine schicke Limousine, die abgedunkelte Seitenscheibe öffnet sich einen Spalt und ein paar warme Mahlzeiten oder andere Geschenke werden herausgereicht. Davon träumt der achtjährige Kauã de Silva Alves im bitterarmen Ilha da Itaóca. Er gehört zu jenen 11,2 Millionen Brasilianern, die, nach letzter Erhebung der statistischen Bundesbehörde IBGE, nicht jeden Tag etwas zu essen haben. Er hat mir seinen Brief an den Weihnachtsmann gegeben: »Lieber Weihnachtsmann, ich wünsche mir einen Korb mit Essen, was zum Anziehen und ein Auto zum Spielen, wenn das geht. Bitte, lieber Weihnachtsmann, denke an mich, dann wird Gott dich segnen. Ich bin sehr arm und habe kein Geld, einen Korb mit Essen zu kaufen. Wenigstens zu Weihnachten möchte ich viele leckere Sachen haben, damit wir alle zusammen zu Hause essen können. Danke für alles, was du mir schenken wirst.« Der Weihnachtsmann bin ich nicht, aber unsere Solidarität kann dafür sorgen, dass Zeiten anbrechen, in denen solche bescheidenen Wünsche allen Menschen erfüllt werden. Nicht nur zu Weihnachten.
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