Blohm+Voss mit brauner Weste

Werft verschweigt weiter das Kapitel NS-Zeit

  • Birgit Gärtner
  • Lesedauer: 3 Min.
Morgen lädt die Hamburger Werft Blohm + Voss am 125-jährigen Firmenjubiläum zum Tag der Offenen Tür ein. Ein Kapitel der Firmengeschichte wird dann wohl ausgespart: Schon in der Werkschronik anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Traditionswerft 1977 wurde die Zeit des Faschismus einfach weggelassen. Der Hamburger Historiker Andreas Meyhoff hat nun anhand historischer Dokumente den Blohmschen Mythos demontiert, die Werftleitung sei Opfer der faschistischen Kriegspolitik geworden.
Binnen weniger Jahrzehnte gelang es dem Kaufmann Hermann Blohm und dem Ingenieur Ernst Voss, die von ihnen 1877 gegründete Werft B+V im Hamburger Hafen zu einem bedeutenden Industriekonzern auszubauen. Kontakte zum Senat und zum Kaiserhaus waren dabei hilfreich und brachten schon bald die ersten Rüstungsaufträge. Nach 1918 leiteten Blohms Söhne Walter und Rudolf die Werft. Wie ihr Vater waren sie Mitglied der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP), schlossen sich einem Bündnis aus Nationalsozialisten, Deutschnationalen und anderen rechtsextremen Kräften an und unterhielten beste Kontakte zu Hitler. Bereits 1933 wurde der erste Auftrag des Hitler-Regimes an B+V vergeben: Im Mai 1933 lief das Marine-Schulschiff Gorch Fock vom Stapel. Dies war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, durch die Rüstungsproduktion endgültig zum Schwerpunkt und die Existenz des Unternehmens trotz Wirtschaftskrise gesichert wurde. Das U-Boot-Programm, an dem alle Hamburger Werften nach Kriegsbeginn beteiligt waren, wurde von Rudolf Blohm geleitet. Die Anforderung allein an B+V war, 52 U-Boote pro Jahr zu liefern. Für diese Produktion wurden Zwangsarbeiter eingesetzt, im Oktober 1944 wurde auf dem Werftgelände sogar eine Außenstelle des KZ Neuengamme errichtet. Nach 1945 schien das endgültige Aus der Werft gekommen zu sein. Im Herbst 1950 war der maritime Stolz der Hansestadt nur noch ein stählerner Trümmerhaufen. Dennoch konnten sich die Gebrüder Blohm der Unterstützung des nunmehr SPD-regierten Hamburger Senats sicher sein. Der damalige Bürgermeister Max Brauer sorgte dafür, dass B+V mit der Auflage, Schiffe für den zivilen Nutzen zu bauen, wieder produzieren durfte. Der »zivile Nutzen« spielt inzwischen keine Rolle mehr. Im Laufe der Jahre spezialisierte die Werft sich auf den Bau hochtechnisierter Kriegsschiffe. Nach dem Krieg verharmlosten die Blohm-Brüder ihre Beziehungen zu Adolf Hitler und anderen Nazi-Größen. Ihnen gelang es sogar, sich als Opfer der nationalsozialistischen Kriegspolitik zu verkaufen. 1977 erschien anlässlich des hundertjährigen Firmenjubiläums eine Chronik von Hans Georg Prager, in der die Zeit von 1933 bis 1945 weitestgehend ausgespart wurde. Prager war Gründungsmitglied des faschistischen Freundeskreises Filmkunst e.V., der einer der Träger des inzwischen verbotenen »Heidenheimes« in Hetendorf war. Im »Freundeskreis« agierte er gemeinsam mit Neonazigrößen wie Jürgen Rieger. Der Hamburger Historiker Andreas Meyhoff arbeitete dies gern vergessene Kapitel der Werksgeschichte in jahrelanger Recherchearbeit auf. In seinem Buch referiert er nicht einfach nur die Geschehnisse, sondern belegt anhand einer Fülle von Dokumenten die Entwicklung der kleinen Schiffbaufirma zum führenden NS-Rüstungsbetrieb. Meyhoff liefert ein Stück Wirtschaftsgeschichte garniert mit Hamburger Lokalkolorit und vermittelt am Beispiels B+V die inneren Widersprüche des Kapitals. Den kaisertreuen DNVP-Mitgliedern war die Arbeiterbewegung und betriebliche Mitbestimmung ein Gräuel. Ihr Ziel war die Überwindung des Klassenkampfes zu Gunsten eines autori- tären Kapitalismus, in dem die Rahmenbedingungen widerspruchslos von der Unternehmerklasse bestimmt werden konnten. Mussolini schien in Italien diesen Kapitalistentraum verwirklicht zu haben. Das machte die Allianz zwischen DNVP und NSDAP trotz des klar formulierten Machtanspruch des künftigen Führers auch in wirtschaftlichen Belangen möglich. Die Kröte Adolf Hitler wurde geschluckt, da die NSDAP die zur Machtübernahme nötigen Wählerstimmen versprach. Es entwickelte sich eine enge Zusammenarbeit mit der faschistischen Regierung, bei der beide Seiten Kompromisse schließen mussten, aus denen sie vor allem aber ihre Vorteile ziehen konnten. Andreas Meyhoff: Blohm und Voss im »Dritten Reich«. Christians-Verlag Hamburg, 608S., 35.
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