Fanal für arabische Nachbarn

140 Millionen leben unterhalb der Armutsgrenze

  • Karin Leukefeld
  • Lesedauer: 2 Min.
Das Fanal des jungen Tunesiers Mohammad Bouazizi, der mit seiner Selbstverbrennung Mitte Dezember Massenproteste gegen Armut und Ungerechtigkeit auslöste, macht Schule in der arabischen Region.

In Algerien, Ägypten und Mauretanien zündeten sich in den letzten Tagen sechs Männer an, um gegen wirtschaftliche Not und schlechte Lebensbedingungen zu protestieren. Berichten zufolge haben alle schwerverletzt überlebt, doch die Botschaft ist eindeutig. Arbeitslosigkeit, Preiserhöhungen, Wohnraumnot, Selbstbedienungsmentalität der Regierenden und Bevormundung gehören in fast allen arabischen Staaten zum Alltag. Die Herrschenden, häufig Familienclans, haben sich die nationalen Reichtümer angeeignet, Vetternwirtschaft und Korruption sind allgegenwärtig.

Sudans Oppositionsführer Hassan al-Turabi warnte davor, dass auch in seinem Land ein Aufstand möglich sei, weil die Bevölkerung ihre wirtschaftlichen Probleme kaum noch ertragen könne und zudem große Unsicherheit herrsche über eine mögliche Abspaltung des Südens. Auf einer Pressekonferenz am Sonntag gratulierte Turabi dem tunesischen Volk zum Sturz Ben Alis und riet er Sudans Präsident Omar al-Baschir, auf das Volk zu hören und die Macht mit anderen Parteien zu teilen. Wenige Stunden später wurden Turabi und Dutzende seiner Parteikollegen verhaftet.

In Jordanien kam es in den letzten Tagen zu Protesten und Sitzstreiks gegen Arbeitslosigkeit und Preiserhöhungen, dabei wurde der Rücktritt der Regierung gefordert. Elf Parlamentsabgeordnete unterstützten mit einer Petition die Proteste. König Abdullah hatte bereits vor einer Woche angeordnet, die hohen Steuern für Treibstoff und Grundnahrungsmittel zu senken.

Hohe Steuern belasten auch die Libanesen. Einige hundert Personen demonstrierten Anfang der Woche ihre Solidarität mit den Tunesiern und forderten im eigenen Land bessere Lebensbedingungen. Sogar im Sultanat Oman protestierten etwa 2000 Menschen am Regierungssitz und forderten höhere Löhne und niedrigere Preise für Nahrungsmittel. Und in der libyschen Hafenstadt Darnah wurde protestiert, weil die Regierung versprochene Wohnungen nicht fertigstellt.

Einige Regierungen reagierten rasch. Kuwaits Emir, Scheich Sabah al-Ahmad al-Sabah, ordnete eine Sonderzahlung für alle Bürger in Höhe von 3600 US-Dollar (2703 Euro) an, für Bezieher von Lebensmittelkarten gibt es bis Ende März Grundnahrungsmittel gratis. Der saudische König Abdullah versprach zusätzliche Programme zur Förderung von Einkommen und bat um Geduld. In Syrien wurden die Subventionen für Heizöl verdoppelt.

Die Armut ihrer Völker ist den arabischen Herrschern seit langem bekannt. Zum Gipfeltreffen der Arabischen Liga 2009 in Kuwait hatte das UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) einen Bericht vorgelegt, aus dem hervorgeht, dass trotz Wirtschaftswachstums in den meisten Staaten die Lebensverhältnisse für die Mehrheit seit 20 Jahren stagnieren. 50 Prozent der Arbeitslosen sind Jugendliche, 140 Millionen Menschen in der arabischen Welt leben unterhalb der Armutsgrenze.

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