Die große Ausdauer
Heinz Adameck tot
Es stand am Wochenende in der »Berliner Zeitung«: Heinz Adameck ist gestorben, bereits kurz vor Weihnachten 2010. Er war von 1954 bis 1968 Intendant des DDR-Fernsehens, ab da Vorsitzender des Staatlichen Komitees für Fernsehen, bis 1990. Avancierte so zum dienstältesten TV-Chef im sozialistischen Lager.
Er war Feldherr in einem Krieg der Kriege: Ost- gegen Westfernsehen. Manchmal wie ein Kampf des Holzschwertes gegen Star Wars-Laser. Einschaltquote gegen Abschaltquote. Wir strahlten zwar aus, aber die Ausstrahlung ... Tagesschau gegen Aktuelle Kamera. Schnitzler gegen Löwenthal. Hauptmann Fuchs gegen Derrick. Russisch für Sie gegen Bilder aus Amerika. Schwänke aus Moritzburg gegen Ohnsorg. Chris Wallasch gegen Dieter Thomas Heck. Prisma gegen Panorama. Rund, das Jugendmagazin, gegen alle Nachfolger des Beatclubs. Ponesky gegen Kulenkampff.
Freilich: Das Sandmännchen aus Adlershof war unschlagbar. Der Sport. Oder Daniel Druskat, die Habersaat und Schlüter, die Thomas-Langhoff-Filme, die Zweig-Romane oder Frohriep im »Grünen Ungeheuer«. Und ein TV-eigenes Schauspielerensemble gab es, das Weltdramatik spielte, und weiter: Hans-Joachim Wolfram, Willi Schwabe, der Montagsfilm – und auch, in den Endfünfzigern, täglich 13. 30 Uhr: der Testfilm. So viele Jahre, keine Erinnerung lässt sich da zur Tendenz kürzen. Und über allem er, Adameck, Napoleon des millionenfachen Familienmitglieds Fernsehen – gemocht und verflucht, Spiegel der Ideologie und deren Scherbe, Erziehung und Spiel. Spaß und Spaßverderber.
Der 1921 im thüringischen Silberhausen geborene Holzhauer-Sohn lernte Kaufmann, der Krieg endete für ihn in der Gefangenschaft bei Tbilissi. Dort Antifaschule. Als Kaderleiter im thüringischen Innenministerium sowie im Rundfunk begann er nach seiner Rückkehr 1949 das neue Leben.
Die Leitung eines gigantischen Apparates Fernsehen – wo endet da konkret fassbare Arbeit, wo beginnt funktionale Entrückung? Die Zeugen stünden wohl, Argument gegen Argument, streitvoll im Clinch: jene, die ihn trotz aller Linientreue für einen Ermöglicher hielten, und jene, die ihn wegen der Linientreue als hartgeistigen Verwalter erfuhren. Herr über straffe und wendige Ideologen wie Journalisten, über konforme und konfliktbereite Künstler. Er tat, was auf seinem Posten zu tun war, er hat verteilt (Stoffe, Geld, Gnade, Ungnade), er hat verboten, vermittelt, gefördert, taktiert, durchgesetzt, abgesetzt, auf Veränderung gesetzt, sich Veränderung widersetzt. Was sonst, wie sonst, wenn man bleiben wollte, wo hinauf er gelangt war. Man redete quasi in ihn hinein, bis auch bei ihm die Frage stand, was da noch Eigenes und was nur noch innere Fremde war. Der gedrungene Mann wirkte oft freundlich-schlitzohrig, eine Ader Schwejk im Gemüt, doch das konnte auch täuschen.
Auf jeden Fall kam das ZK-Mitglied arbeitend, austarierend, so bestimmend wie flexibel durch die politischen Zeitläufte. Als er abgelöst war, rief die neue Leitung: »Von nun an sind wir ein Fernsehen des Volkes.« Ein Urteil. Aburteil auch. Aber wenn Ost-Regionalsender heute DDR-Kamellen darbieten, wenn legendäre TV-Mehrteiler aus Adlershof wieder Karriere auf DVD oder in Abendprogrammen machen – auch dies ist: Heinz Adameck. Der nach dem Ende seines Systems einfach nur schwieg. Er wurde 89 Jahre alt.
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