Auf leisen Pfoten ins Abenteuer

Die Filme der Sektion Generation Kplus/ 14plus

  • Barbara Felsmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Wynona Ringer: endlich mal schmutzig sein ...
Wynona Ringer: endlich mal schmutzig sein ...

Die sechsjährige Cathy, ein Einzelkind aus einer wohlhabenden Pariser Familie, kann gut beobachten und kennt ihre Eltern ganz genau. Sie weiß immer schon im Voraus, was Mutter und Vater tun werden, denn es ist jedes Wochenende das Gleiche: Freitagabend werden die Taschen gepackt, wird ins Auto gestiegen, aufs Land gefahren. Im Dunkeln kommen sie dann an, Cathy muss gleich ins Bett, am nächsten Morgen ist die Mutter schon auf dem Markt, während das Mädchen allein frühstückt.

Cathy weiß auch immer im Voraus, was die Eltern sagen werden, denn auch das ist jedes Mal das Gleiche und nur das Notwendigste: Steig ein, schnall dich an, wir sind da, schlaf gut! Dass die Eltern mit ihrem Kind spielen oder danach fragen, was es am Tag erlebt hat, geschweige denn, was es gern möchte, kennt Cathy nicht. Und so ist sie sich ziemlich sicher, dass sie für die Eltern gar nicht existiert, dass sie für sie unsichtbar ist. An diesem Sonntagabend, wenn die Eltern mit ihr nach Paris zurückfahren wollen, wird Cathy sie auf die Probe stellen. Sie steigt einfach wieder aus dem Auto aus und wartet ab, ob sie es merken. Und ... sie merken es nicht. Sie fahren los. Ohne ihre Tochter.

Für Cathy beginnt indes das größte Abenteuer ihres Lebens. Nun kann sie sich in Ruhe um die magischen Samen kümmern, die ihr der Bauer aus der Nachbarschaft geschenkt hat und die der Vater beinahe mit seinem Rasenmäher zerstört hätte. Sie muss nicht mehr darauf achten, dass ihr Kleid nicht schmutzig wird, sondern kann auf Entdeckungsreise gehen ...

»Auf leisen Pfoten« (»A Pas de Loup«) heißt der mit wunderschönen Naturbildern ausgestattete Film, der zusammen mit insgesamt 13 langen Spielfilmen bei der Berlinale in der Sektion Generation Kplus zu sehen ist. Diese belgisch-französische Koproduktion von Regisseur, Drehbuchautor und Kameramann Olivier Ringer ist eine kleine Kostbarkeit für die ganze Familie: für Kinder ab sieben Jahre, deren Eltern und deren Großeltern. »Er kann auf zwei Ebenen gelesen werden«, meint Olivier Ringer zu seinem Film, in dem die kleine Cathy, überzeugend dargestellt von seiner Tochter Wynona Ringer, in einem langen Monolog eine Geschichte für Kinder wie aber auch eine Geschichte für Eltern erzählt.

Für Kinder werden vornehmlich die Abenteuer interessant sein, die die Sechsjährige in der Natur erlebt, und es wird ihnen ein Riesenvergnügen bereiten, zusammen mit diesem starken, eigenwilligen Mädchen den Wald zu erkunden. Die Erwachsenen dagegen bekommen einigen Stoff, um einmal über das Verhältnis zu ihren Kindern nachzudenken. Gedankenlosigkeit, Unachtsamkeit und Gleichgültigkeit gegenüber Kindern – das kommt in den besten Familien vor. Dabei sind die Eltern keineswegs böswillig, sondern einfach zu sehr mit sich und dem Geldverdienen beschäftigt. Wie sich das auf die Seele eines Kindes auswirkt, ist hier auch Thema. Allerdings geschieht das ohne erhobenen Zeigefinger. So findet denn Olivier Ringer für seinen Film einen offenen Schluss, bei dem niemand mehr weiß, was nun kindliche Fantasie und was Wirklichkeit ist.

Filme über junge Menschen, die sich auf den Weg machen, um die Welt zu entdecken und vielleicht auch zu sich selbst zu finden, gibt es übrigens mehrere bei Generation Kplus und 14plus. So auch der Jugendfilm aus Venezuela und Peru, »El Chico que Miente« (»The Kid Who Lies«) und die polnisch-japanische Koproduktion »Morgen wird alles besser« von Dorota Kedzierzawska, die die Reise dreier Waisenkinder von Russland nach Polen begleitet. Die polnische Regisseurin wurde auf der Berlinale 1995 für ihren bewegenden Film »Krähen« von der internationalen Fachjury mit dem UNICEF-Preis ausgezeichnet und von der Kinderjury mit einer lobenden Erwähnung bedacht.

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