Die neue Billiglohnlinie

Leiharbeit, Befristung und Werkverträge sind weiter im Kommen

  • Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden
  • Lesedauer: 2 Min.
In einer neuen Studie sieht sich die IG Metall bestätigt: Im Aufschwung werden wenig neue Vollarbeitsplätze geschaffen. Vielmehr werden Leiharbeit und prekäre Arbeitsverhältnisse zu Dauererscheinungen.

Die 2,2 Millionen Mitglieder starke IG Metall will nach Angaben ihres Vorsitzenden Berthold Huber die »Verwahrlosung am Arbeitsmarkt« anprangern und kritisiert scharf, dass die Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie trotz Aufschwung weiterhin auf eine »kompromisslose Lohndumpingstrategie« und eine Spaltung der Belegschaften setzten und konsequent Tarifverträge, Kündigungsschutz und Mitbestimmungsrechte aushöhlen. Die Kritik der Gewerkschafter stützt sich auf eine neue Befragung von rund 5000 Betriebsratsgremien der Branche, die bestätigt habe, dass Leiharbeit und Befristungen zu Dauererscheinungen geworden sind.

Damit hat sich im aktuellen Aufschwung weiter erhärtet, was die IG Metall schon vor einem halben Jahr ermittelte: Nur 15 Prozent der Betriebe deckt zusätzlichen Arbeitskräftebedarf durch Neueinstellungen, 85 Prozent setzen auf Leiharbeit und Befristung. Das 2010 von Wirtschaft und Politik in einer »Desinformationskampagne« eingesetzte Argument, zu Beginn eines Aufschwungs sei es »normal«, dass nicht sofort reguläre Arbeitsplätze entstünden, sieht die Gewerkschaft widerlegt. Seit vergangenem Herbst sei die Zahl der Betriebe, die grundsätzlich auf Leiharbeit verzichten, von 34 auf 32 Prozent gesunken.

Leiharbeit sei ein »strategisches Instrument zur Etablierung einer neuen Billiglohnlinie« geworden, so IG-Metall-Vize Detlef Wetzel. Weil seine Organisation »anders als die Politik« jedoch handle, um Missstände zu beheben, seien in den letzten Monaten allein durch betriebliches Engagement bereits in 34 Prozent aller erfassten Unternehmen Quotierungs- und Beschränkungsregelungen, Entgelterhöhungen und andere Verbesserungen für Leiharbeiter vereinbart worden, so Wetzel. Von derzeit rund einer Million Leiharbeitern entfielen rund 40 Prozent auf den Organisationsbereich der IG Metall. In ihrer Forderung nach gesetzlicher Gleichstellung von Leiharbeitern sieht sich die IG Metall durch eine TNT-Infratest-Umfrage bestätigt. Demnach teilten 80 Prozent der Bevölkerung die gewerkschaftlichen Forderungen – Selbst bei den Anhängern von CDU/CSU und FDP seien es immerhin 71 bzw. 60 Prozent.

Ein weiterer Trumpf der Unternehmen beim Lohndumping und der Entrechtung von Arbeitnehmern sind Werk- und Dienstverträge. So ermittelte die IG-Metall-Befragung, dass 40 Prozent der Betriebe die Werk- und Dienstverträge als Flexibilisierungsinstrument zu Lasten der Stammbelegschaften einsetzten. Vielfach seien davon auch Hochqualifizierte in den Bereichen Entwicklung und Forschung betroffen. Auch hier verlangt die IG Metall ein Mitbestimmungsrecht der Betriebsräte. Einen genaueren Überblick über den Missbrauch von Werk- und Dienstverträgen durch Auslagerung von Arbeit an »Ich-AGs« will sich die IG Metall in den nächsten Wochen verschaffen, bestätigte Huber auf ND-Anfrage.

Während etwa der Bosch-Konzern Leiharbeit nur für Auftragsspitzen und Schwangerschaftsvertretungen einsetze, betrage ihr Anteil anderswo bis zu 50 Prozent. Ein »Stachel im Fleisch der IG Metall« bleibe das BMW-Werk Leipzig mit seiner »ausufernden Praxis« von Werkverträgen und Leiharbeit, so Huber.

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