Zeit des Zorns

Talent Campus: Zensur und Kino in Iran

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 3 Min.

Vier Experten hatte der World Cinema Fund im Rahmen des Talent Campus der Berlinale zu seiner Veranstaltung zum Thema Censored Cinema, Kino und Zensur am Beispiel des Iran, auf die Bühne des HAUeins gebeten. Keiner von ihnen lebt heute noch in der Islamischen Republik. Und wahrscheinlich sagt das allein schon alles. Die Juristin und Menschenrechtlerin Mehrangiz Kar arbeitet in den USA. Vor elf Jahren war sie in Iran verhaftet und verurteilt worden, angeklagt unter anderem der Propaganda gegen die Islamische Republik.

Die Regisseurin Sepideh Farsi lebt schon seit ihren Studienzeiten in Paris. Rafi Pitts, 2010 mit »Zeit des Zorns« im Berlinale-Wettbewerb, lebt seit seinen Teenagerjahren in Europa. Und Ali Samadi Ahadi (»Salami Aleikum«) floh als Kind aus Iran, weil dort selbst Minderjährige zum Einsatz im Irakkrieg eingezogen wurden. Alle drei Filmemacher versuchen den Spagat zwischen den Welten und drehen auch weiterhin in Iran, aber wer wie er einen Film über die Wahlen vom Juni 2009 und ihre Folgen gemacht habe (»The Green Wave«, ab nächsten Donnerstag im Kino), der müsse eben auch darauf gefasst sein, ein paar Jahre nicht einreisen zu dürfen, sagte Ali Samadi Ahadi.

Regisseur Rafi Pitts erklärte, es könne und dürfe nicht sein, dass jemand wie der in Iran eingesperrte und mit Berufsverbot belegte Berlinale-Juror Jafar Panahi nie wieder einen Film machen werde, nur weil ein Richter das so beschlossen habe. Er selbst geht einen anderen Weg: Weil es ihm wichtig ist, dass seine Filme in Iran zu sehen sind, setzt er sich stets persönlich mit der Zensurbehörde auseinander. Seinem Film »Zeit des Zorns« hatte das jedoch nicht geholfen: Weil das Personal der Zensurbehörde zwischenzeitlich ausgetauscht worden war – die politischen Verhältnisse hatten sich geändert, die blutig niedergeschlagenen Demonstrationen, die in Pitts’ Film vorkommen, waren inzwischen Realität –, wurde in einem ersten Vorlageverfahren das Drehbuch zwar genehmigt, der fertige Film durfte dann aber trotzdem nicht gezeigt werden.

Weil der Protagonist von »Zeit des Zorns« aus Rache für den Tod von Frau und Tochter am Rande einer Demonstration zwei Polizisten erschießt, musste Pitts dem Zensor zunächst ohnehin erstmal versichern, dass der vor Leid verrückt geworden sei und sich selbstredend keine andere, etwa politische Aussage mit seinem Tun verbinde. Mehrangiz Kar zur Frage von Gewalt: Dies sei nie das richtige Mittel. Sie erinnerte zugleich daran, dass Fragen der Zensur in Iran nicht nur den Film betreffen, sondern das ganze Leben. Und das nicht erst, seit das Aufbegehren gegen die gefälschte Wahl vom Juni 2009 und die darauf folgende Welle der Repression aus jedem kritischen Nachfragen einen politischen Akt machten. Zensur ist etwas, das iranische Filmemacher von jeher zu berücksichtigen hatten, was wiederum zur Ausprägung einer ganz eigenen Filmsprache führte.

Überdies: Die Interpretationshoheit über das, was dem Gedanken der islamischen Revolution von 1979 entspricht, die von den derzeitigen Machthabern so verbissen verteidigt wird, und über das, was als islamkonform zu betrachten sei, darin waren sich alle Debattanten einig, diese Interpretationshoheit liegt nicht beim Volk.

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